
campus a: Viele junge Menschen ernähren sich vegan oder vegetarisch. Wie beeinflusst das die Lebensmittelindustrie?
Häupl: Am beeindruckendsten finde ich an diesem Trend, dass der Gesamtanteil von Veganern und Vegetariern von anfangs zwei bis drei Prozent auf mittlerweile deutlich über zehn Prozent innerhalb der letzten Jahre gestiegen ist. Was mich dabei überrascht: Dieser Wandel hat aus meiner Sicht kaum Einfluss auf den Konsum von frischem Obst und Gemüse. Veganer und Vegetarier konsumieren aus meiner Sicht nicht unbedingt stärker Obst und Gemüse als andere.
campus a: Warum glauben Sie, ist das so?
Häupl: Der Trend bei allen vegan und vegetarisch orientierten Konsumenten geht ganz stark in Richtung von verarbeiteten Lebensmitteln. Die Nahrungsmittelindustrie ist auf diesen Zug aufgesprungen und das breite Angebot in diesem Bereich wird gerne angenommen. Beispielsweise geht es da um vegane Leberwürste als Aufhänger.
campus a: Wenn ich mich besonders umweltbewusst ernähren möchte, auf welche Lebensmittel sollte ich zurückgreifen?
Häupl: Am besten das aus dem eigenen Hausgarten, das möglichst unbehandelt durch Pflanzenschutzmittel die Umwelt geringstmöglich belastet. Aber diese Möglichkeit haben die wenigsten in Österreich. Darüber hinaus ist natürlich alles, was in der Region produziert wird zu bevorzugen und wenn es nach biologischen Richtlinien produziert wird, dann umso besser. Also regional und biologisch ist aus meiner Sicht die beste Kombination, die es aber nicht immer gibt. Das ist mir bewusst.
campus a: Und auf was sollte ich verzichten?
Häupl: Weit gereiste Lebensmittel. Je weiter der Transportweg ist, umso schlechter wird es. Zum Beispiel sehen wir jetzt schon wieder den ersten Spargel aus Peru in den diversen Handelsketten. In der Wüste Perus gewachsen, durch Wasser aus den Anden bewässert. Dieser Spargel wird dann per Schiff nach Europa gebracht. Der Spargel ist dann im Normalfall 20-25 Tage alt, bis er im Geschäft liegt, und das sieht man ihm nicht an, weil er optimal verpackt ist.
campus a: Wie umweltbelastend ist dieser Spargel?
Häupl: Grundsätzlich ist der Schiffstransport CO2-schonender als beispielsweise der Flugtransport. Trotzdem fragt man sich: Warum muss man Spargel um diese Zeit um die halbe Welt fahren? Die Antwort: Weil die Nachfrage da ist.
campus a: Wie wirkt sich der peruanische Spargel auf den österreichischen Spargel aus?
Häupl: In Wirklichkeit verkauft der Lebensmitteleinzelhandel den meisten Spargel schon im März und April. Wenn er dann bei uns richtig wächst, also im Mai und Juni, ist die Nachfrage oft schon wieder rückläufig. Da ist der Eigenversorgungsgrad höher, viele kaufen dann direkt auf Märkten, und/oder man hat sich irgendwie auch schon sattgegessen. Für viele ist die Saison dann eigentlich schon wieder vorbei. Spannend finde ich dabei, dass man sich auf den ersten heimischen Spargel freut, dann aber vielleicht doch schon im März zu einem vermeintlich frischen greift und erst zu Hause merkt: Ah, die peruanische Flagge ist zwar auch rot-weiß-rot, aber halt anders gedreht.
campus a: Bei welchem Obst waren Änderungen im Lebensmitteleinkauf spürbar?
Häupl: Heidelbeeren aus Peru sind ein gutes Beispiel. Sie dominieren im Wintersemester, also von Herbst bis Anfang März, bis wir wieder erste europäische Ware bekommen. Auch die „Winterheidelbeeren“ kommen mit dem Schiff und das ist schon bemerkenswert: Eine Beere aus Übersee, transportiert mit dem Schiff, nur damit sie halbwegs CO2-freundlich über den Atlantik kommt. Früher hätte man das geflogen, zu deutlich höheren Preisen, dafür war die Ware frischer, beim Spargel genauso. Aber der CO2-Abdruck war damals natürlich viel schlechter. Die ersten 5000 Kilometer mit dem Schiff verursachen weniger CO2 als eine Autofahrt von Graz nach Wien. Das liegt daran, dass auf einem Schiff extrem viele Container gleichzeitig transportiert werden. Ein Transportmittel, das so viel gebündelt befördert, ist umweltschonender. Ähnlich wenn ich 50 Leute in einen Bus setze, anstatt dass jeder einzeln mit dem Auto fährt.
campus a: Welchen Unterschied macht es in Bezug auf Geschmack und Vitamine ob beispielsweise eine Mango wochenlang unreif auf einem Schiff liegt oder frisch gepflückt wird?
Häupl: Eine Mango frisch gepflückt hat wenig Haltbarkeit. Die müsste ich dann in das Flugzeug packen und schauen, dass sie in zwei Tagen hier ist und nicht erst in zweieinhalb Wochen. Direkt vom Baum wäre es natürlich ideal, aber wenn ich die so reif ernte, fehlt mir einfach die Haltbarkeit. Dann würde ich die gar nicht mehr bis ins Geschäft bringen. Deswegen ist es bei vielen Früchten, speziell bei den tropischen Südfrüchten auch üblich, dass sie unreif geerntet werden. Bei der Banane ist es ähnlich: Die wird geerntet und kommt komplett grün nach Österreich. Hier wird sie dann punktgenau für den Tag, an dem man sie braucht, in der passenden Menge nachgereift – dazu braucht es nicht viel: die richtige Portion Wärme, etwas Ethen und Sauerstoff.
campus a: Also kommt es bei einer umweltbewussten Ernährung nicht darauf an, welche Lebensmittel man kauft, sondern woher sie kommen.
Häupl: Primär würde ich das bestätigen, weil jeder Transportkilometer etwas ausmacht. Die Produktionsart spielt aber auch eine Rolle. Da ist die Avocado ein gutes Beispiel. Es gab früher nur unreife Avocados. Jeder Konsument musste die Avocado, die er im Geschäft gekauft hat, zu Hause nachreifen lassen und hat dann mehr oder weniger gute Ergebnisse dabei erzielt. Jetzt, seit die Avocados gereift werden, hat sich der Absatz ca. verfünfzigfacht. Aber für die Produktion von Avocados braucht man eine riesige Menge an Ressourcen, vor allem Wasser, um sie in dieser Qualität produzieren zu können. Und auch hier gilt, wie beim Spargel: Die Nachfrage bestimmt das Angebot.
campus a: Globale Umweltkatastrophen werden immer häufiger. Inwieweit ist der österreichische Handel davon bedroht?
Häupl: Solange es genügend Alternativen gibt, ist es nicht unbedingt als Bedrohung zu sehen. Aber natürlich muss sich jeder Produzent, jeder Bauer, darauf einstellen, dass der Klimawandel passiert und nicht einfach so an uns vorübergeht. Ich sehe nicht unbedingt die Gefahr, dass wir durch den Klimawandel gar keine oder eine schlechtere Versorgung mehr haben. Die Produkte werden dann eben aus anderen Regionen und Ländern kommen. Wichtig ist, dass man sich immer auch einen Plan B überlegt.
campus a: Wie äußert sich der Klimawandel in Österreich?
Häupl: Es gibt inzwischen Birnen, die auf 700 bis 800 Meter Seehöhe gepflanzt werden. Das wäre vor 15 Jahren noch undenkbar gewesen. Das hängt mit dem Thema Frost zusammen, vor allem mit späten Frösten. Wenn das Wetter frühzeitig schön wird, treiben die Pflanzen schneller aus, und ein später Frost kann dann enorme Schäden verursachen. Wichtig ist deshalb, dass wir zukunftsfähige Standorte finden. Man muss genau überlegen, wo man Obstbäume pflanzt: Liegt der Standort in einer Senke, wo sich in Frostnächten die kalte Luft sammelt? Oder habe ich eine Hanglage, wo die Kälte besser abfließen kann? Bin ich auf der richtigen Seehöhe, im passenden Gebiet? Man sieht es ja, im Burgenland wachsen inzwischen sogar Olivenbäume. Dieser Trend wird sich weiter fortsetzen.
campus a: Wie beeinflussen globale politische Krisen die Lebensmittelproduktion?
Häupl: Was uns natürlich betrifft und auch in der Vergangenheit schon betroffen hat, das sind Situationen, in denen Protestaktionen ganze Seewege blockieren und ein Schiff mit Limetten aus Vietnam nicht mehr durch den Suezkanal kommt, sondern rund um Afrika fahren muss. Normalerweise dauert der Transport per Schiff etwa drei Wochen. Wenn der Umweg über Afrika nötig ist, kommen zwei Wochen dazu. Das spürt am Ende auch der Konsument. Diese zwei Wochen fehlen einfach. Die Haltbarkeit, die man sonst gewohnt ist, gibt es dann nicht mehr, weil die Ware entsprechend älter ist. Solche Dinge beeinflussen uns, genauso wie geopolitische Krisen oder klimatische Veränderungen. Wenn man etwa an den Panama-Kanal denkt, der seit Monaten zu wenig Wasser aus den Quellseen hat, was die Durchfahrten stark einschränkt. Wir merken es sehr schnell, wenn irgendwo eine Lieferkette nicht funktioniert, aber die Branche ist es gewohnt auch sehr schnell Alternativen zu suchen.
campus a: Man hat also einen großen Handlungsspielraum.
Häupl: Ja. Wenn der Panamakanal nicht durchfahrbar ist, holt man die Bananen nicht aus Ecuador oder Peru, sondern beispielsweise aus der Dominikanischen Republik. Mit solchen oder ähnlichen Einschränkungen sind wir laufend konfrontiert. Wenn wo Wege abgeschnitten werden, werden neue gesucht. So funktioniert das Business. Das wenigste davon ist für die Konsumenten spürbar.
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