
Im Sommer 2022 führte die Organisation Conservation International im Rahmen des sogenannten Rapid Assessment Program eine umfassende Untersuchung der Biodiversität in Peru durch. Ziel dieser sechswöchigen Expedition im Waldschutzgebiet Alto Mayo war es, bedrohte Arten zu dokumentieren, die biologische Vielfalt zu erfassen und möglicherweise neue Arten zu identifizieren. Auf Basis der gewonnenen Daten entwickelten die Forscher anschließend einen umfassenden Schutz- und Managementplan für die Region.
Alto Mayo liegt im oberen Einzugsgebiet des Rio Mayo, in den Provinzen Moyobamba und Rioja in San Martín und bildet den Übergang zwischen den Anden und dem Amazonasregenwald. Das Gebiet, ein tropischer Nebelwald, bietet ein einzigartiges Ökosystem für endemische, also nur dort vorkommende und bedrohte Pflanzen- und Tierarten. Die 7.800 Quadratkilometer Fläche besiedelt teilweise die indigene Gemeinschaft der Awajún, dazu kommen Städte und Dörfer mit hohen Migrationsraten aus anderen Teilen des Landes. Aktuell sind die Waldgebiete vor allem durch Landwirtschaft, Straßenbau und fortschreitende Urbanisierung bedroht. Die staatliche Naturschutzagentur Servicio Nacional de Áreas Naturales Protegidas por el Estado hat deshalb ein 1.820 Quadratkilometer großes Schutzgebiet etabliert.
Alto Mayo zeichnet sich durch eine besonders vielfältige Landschaft aus. Das Gebiet umfasst sieben verschiedene Waldtypen, darunter die äußerst seltenen Weißsandwälder, die auf nährstoffarmen, weißen Sandböden wachsen und eine besonders spezialisierte Pflanzen- und Tierwelt beherbergen. Dazu kommen amazonische Sümpfe und tropische Regenwälder. Die Zentralregion ist bislang kaum erforscht. Frühere Expeditionen konzentrierten sich vor allem auf den Schutzwald, was die Initiative von Conservation International 2022 änderte.
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Die Schutzorganisation arbeitet eng mit der ansässigen Bevölkerung zusammen und konnte bislang mehr als 1.300 Vereinbarungen zum Schutz des Waldgebiets treffen. Lokale Gemeinschaften verpflichten sich, den Wald nicht mehr zu roden, und erhalten im Gegenzug Ausbildungsangebote in umweltfreundlicher Landwirtschaft.
Im Rahmen der Expedition konnten die Forscher 27 bisher unbekannte Tierarten dokumentieren. Zudem haben sie 49 Arten gemäß der IUCN Roten Liste als bedroht eingestuft. Viele der beobachteten Arten kommen ausschließlich in Alto Mayo vor, was die hohe Biodiversität der Region bestätigt. Insgesamt dokumentierten die Forscher 151 Säugetiere, 68 Fischarten, 45 Reptilien und Amphibien, 289 Insekten, 536 Vögel und 955 Pflanzenarten.
Zur Erfassung der Vögel kamen sowohl traditionelle Methoden wie Nebelnetze als auch moderne bioakustische Sensoren zum Einsatz. Letztere ermöglichten die Identifikation verschiedener Arten anhand ihrer Gesänge. Die Dokumentation der Vogelarten erfolgte in unterschiedlichen Lebensräumen und Höhenlagen, darunter Palmensümpfe, Nebelwälder und Kaffeeplantagen. Neben neun endemischen Vogelarten sind 26 Arten vom Aussterben bedroht.
Von den 955 erfassten Pflanzenarten kommen fünf ausschließlich in Alto Mayo vor. Zehn dieser Pflanzenarten sind nach IUCN als bedroht eingestuft. Drei Arten sind davon sind für die Wissenschaft neu. Stylogyne sp., Ilex sp. und Schefflera sp. lauten ihre etwas sperrigen Namen. Schätzungen zufolge sind aber 30 Prozent der Pflanzenarten in der Region noch unbekannt.
Die Forscher erfassten sowohl tagaktive Schmetterlinge als auch Scarabäen (Käfer). Bei den Schmetterlingen konnten sie mehr als 200 verschiedene Arten dokumentieren, darunter zehn neue Arten für die Wissenschaft. Weitere 24 Arten könnten ebenfalls unbekannt sein, was jedoch noch nicht bestätigt ist. 14 Schmetterlingsarten in Mayo Alto sind neu. Von den mehr als 70 Käferarten waren 45 zuvor noch nicht in Mayo Alto dokumentiert. Zwei bisher unbekannte Arten gehören zur Gattung Scybalocanthon. Diese Insekten spielen eine entscheidende Rolle im Ökosystem von Alto Mayo, da sie zur Samenverbreitung und zum Nährstoffrecycling beitragen.
Durch die eDNA-Analyse, eine Methode, mit der sich anhand von Umwelt-DNA im Wasser, im Boden oder in der Luft Rückschlüsse auf die dort lebenden Arten ziehen lassen, entdeckten die Forscher unter den nachgewiesenen Fischarten 18 endemische und acht bisher unbekannte. Zu letzteren gehört der sogenannte „Blob-Kopf“-Fisch, dessen Funktion bislang noch nicht erforscht ist.
Mit 18 dokumentierten Reptilienarten und 27 Amphibienarten lagen die Ergebnisse der Expedition weit über den bisherigen Schätzungen. Darunter waren zwei bisher unbekannte Arten des Harlekinfroschs, ebenso wie ein Klettersalamander und zwei Froscharten als neuartige Amphibien. Die Verbreitung dieser Tiere ist unklar, doch auch sie kommen vermutlich ausschließlich in der Region Alto Mayo vor. Bei sieben weiteren Arten ist noch zu klären, ob es sich ebenfalls um neue Entdeckungen handelt. Auch unter den Reptilien gab es Neuentdeckungen, darunter zwei Schlangenarten: eine blinde, unterirdisch lebende Schlange der Gattung Epictia und eine Art der Gattung Atractus.
Unter den 151 dokumentierten Säugetierarten waren vier bisher unbekannt. Dazu zählen eine neue Fledermausart der Gattung Carollia, ein Zwerghörnchen der Gattung Microsciurus, eine stachelige Maus der Gattung Scolomys und eine amphibische Maus der Gattung Daptomys. Bei den kleinen Säugetieren konnten die Forscher zwölf Arten erstmalig in der Region dokumentieren, während es bei den größeren Säugetieren zehn Arten sind. Elf Arten waren vom Aussterben bedroht, darunter der peruanische Gelbschwanzaffe und der Gelbbauchspinnenaffe.
Angesichts der hohen Anzahl an gefährdeten und neu dokumentierten Tierarten in der Alto Mayo Region hat die Organisation Conservation International spezifische Ziele zum Schutz der Region definiert. Ein umfassender Schutz- und Managementplan soll kommen. Zukünftig sollen besonders wertvolle Gebiete unter Naturschutz stehen. Ökologische Korridore sollen bereits bestehende Schutzgebiete verbinden. Das Programm für nachhaltige Landwirtschaft und Agroforstwirtschaft bleibt, einschließlich der Kontrolle und Minimierung von Abholzung und Bodendegradation, bei der die Qualität und Fruchtbarkeit des Bodens durch Erosion, Übernutzung, Verschmutzung oder Entwaldung leidet. Letztendlich zielt die Initiative darauf ab, die einzigartigen Lebensräume, wie etwa die Weißsandwälder und die Amazonas-Sümpfe, zu bewahren.
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