
Energie AG-CEO, Leonard Schitter, zu Besuch in der Wiener campus a-Redaktion. Sein Ton ist direkt, visionär und manchmal kritisch. Das passt zu einem Manager, der ein Unternehmen mit 5.070 Mitarbeiter:innen und mehr als drei Milliarden Euro Umsatz bis 2035 klimaneutral machen will. Bloß wie will er das schaffen? Und wie tief greift er dafür in die Taschen von Österreichs Energieverbrauchern?
campus a: Beginnen wir mit einer guten Nachricht: Die Energie AG senkt ihre Strompreise. Bis zu 50 Prozent günstiger soll der Tarif „Ökostrom Loyal“ werden. Wie geht das, während andere Anbieter ihre Preise erhöhen?
Schitter: Das ist relativ simpel. Wir kaufen unseren Strom strategisch ein, mit Weitblick. Die Energie AG deckt ihren Bedarf bereits viele Monate im Voraus und wenn wir günstig einkaufen können, geben wir diese Vorteile an unsere Kundinnen und Kunden weiter. Damit sind wir nicht nur fair, sondern auch einer der günstigsten Anbieter Österreichs.
campus a: Die österreichischen Energiepreise sind seit Jahresbeginn in Durchschnitt deutlich gestiegen, obwohl die Weltmarktpreise für Energie sinken. Wie passt das zusammen?
Schitter: Die aktuelle Situation ist eine direkte Folge des Angriffskriegs Russlands in der Ukraine. Russland hat Europa über Jahrzahente hinweg abhängig gemacht und dann plötzlich die Gashähne zugedreht, um die Preise nach oben zu treiben. Europa hat dafür einen hohen Preis gezahlt. Es war sicherlich der größte Fehler, den Europa in der Energiepolitik gemacht hat, sich dieser Abhängigkeit auszuliefern. Jetzt sind wir in der Situation, massiv in unsere Unabhängigkeit investieren zu müssen. Das tun wir. Je mehr Wind-, Sonnen- und Wasserkraft wir produzieren können, desto stabiler und günstiger wird unsere Energieversorgung.
campus a: Wie stellen Sie sicher, dass Ihre Investitionen in erneuerbare Energien und Infrastruktur tatsächlich langfristig zu stabilen beziehungsweise günstigeren Stromtarifen führen?
Schitter: Einerseits sind unsere aktuellen Tarife schon wettbewerbsfähig. Andererseits investieren wir als Energie AG bis 2035 vier Milliarden Euro. Davon fließt die Hälfte in erneuerbare Energien und die andere Hälfte in Netze und Speicher. Allein das Pumpspeicherkraftwerk Ebensee, mit mehr als 450 Millionen Euro unser größtes Einzelprojekt in der Unternehmensgeschichte, wird vieles verändern. Oder nehmen Sie das neue Wasserkraftwerk am Traunfall. Mehr als 190 Millionen Euro Investition in ein Kraftwerk, das nicht nur Strom liefert, sondern auch die regionale Wirtschafft stärkt.
campus a: Vier Milliarden Euro sind eine gewaltige Summe. Wie finanzieren Sie das?
Schitter: Zunächst einmal reinvestieren wir jeden Euro, den wir verdienen, in die Energiewende. Die Politik muss verstehen, dass das Geld, welches sie uns über Sonderabgaben wegnimmt, später bei den Investitionen in die Nachhaltigkeit fehlt. Wir brauchen stattdessen klare Signale: Längere Planungssicherheit, beschleunigte Genehmigungsverfahren und Partnerschaften mit privaten Investoren. Die Europäische Investitionsbank hat uns bereits mit 400 Millionen Euro unterstützt. Das zeigt, dass Europa die Dringlichkeit erkannt hat. Aber wir müssen noch weiter gehen.
Leonard Schitter im Gespräch mit campus a Redakteuren Anna Patsch und Max Langer. (Foto: Louisa Kurz)
campus a: In Deutschland dauert die Genehmigung eines Windparks drei Jahre, in Österreich neun. Woran hakt es?
Schitter: Wenn wir die Klima-, die Energiewende wollen, müssen wir in die Gänge kommen. Vor allem auf politischer Ebene ist einiges zu tun. In den vergangenen Jahren gab es bereits politische Unterstützung. Aber jetzt braucht es noch mehr Commitment. Es bräuchte eine Art Klimapakt. Wirtschaft, Politik, aber auch die Bürgerinnen und Bürger sollten sich zur Energiewende bekennen und sie auch unterstützen. Wir brauchen eine Liste von außer Streit gestellten großen Infrastrukturprojekten, die wir als E-Wirtschaft jetzt in Österreich umsetzen können.
campus a: Ein zentrales Thema ist die Speicherung. Wie lösen wir das Problem, dass Sonnen- und Windenergie nicht immer verfügbar sind?
Schitter: Speicher sind der Schlüssel. Deshalb bauen wir das Pumpspeicherkraftwerk Ebensee, sozusagen die grüne Batterie Oberösterreichs. Dann ist da noch grüner Wasserstoff. Wir verhandeln gerade über den Bau der ersten österreichischen Wasserstoffleitung. Grüner Wasserstoff, erzeugt mit Ökostrom, wird zweierlei können: Erstens als Speichermedium dienen und zweitens helfen, unsere Gaskraftwerke bis 2035 zu dekarbonisieren.
campus a: Das klingt nach einer gewaltigen Transformation.
Schitter: Ist es auch. Allein in Österreich müssen dafür 60 Milliarden Euro in die Energiewende fließen. Das ist die größte Investition der Zweiten Republik. Vergleichen Sie es mit dem Marshallplan nach dem Krieg. Damals hat Europa innerhalb weniger Jahrzehnte seine Infrastruktur komplett erneuert. Heute stehen wir vor einer ähnlichen Aufgabe, nur geht es diesmal um Klimaneutralität und Unabhängigkeit.
campus a: Kritiker sagen, die Energiewende sei ein Geschäft für Konzerne und belasten die privaten Haushalte.
Schitter: Das ist falsch. Der Strompreis besteht zu einem Drittel aus Steuern und Abgaben, auf die wir als Unternehmen keinen Einfluss haben. Ein weiteres Drittel sind die Netzkosten. Ein Drittel, den eigentlichen Energiepreis, beeinflussen wir aktiv. Die Netzkosten steigen, weil wir die Infrastruktur ausbauen müssen. Aber hier plädiere ich für ein leistungsbezogenes Modell: Wer das Netz stärker benützt, soll auch mehr zahlen. Wie bei einer Mautautobahn.
campus a: Es gibt viel Kritik an der sogenannten Merit-Order, die den Energiepreis bestimmt. Sie sorgt dafür, dass das teuerste Produkt am Markt den Preis bestimmt, und nicht das billigste.
Schitter: Die günstigsten Erzeuger, also Wind, Wasser, Sonne, werden zuerst zugeschaltet, die teuersten wie Gaskraftwerke zuletzt. Problematisch wird es, wenn Gas den Preis bestimmt, wie 2022 in der Krise. Die Lösung ist nicht, das System abzuschaffen, das würde Jahre dauern. Es geht eher um kluge Anpassungen. In Krisen müssen wir Gaskraftwerke temporär aus der Preisbildung nehmen. Langfristig betrachtet bedeutet das, je mehr erneuerbare Energie wir haben, desto seltener bestimmt Gas den Preis. Jedes neue Windrad drängt teure Erzeuger weiter ans Ende der Merit-Order. Das ist unser Hebel für dauerhaft niedrigere Preise. Wichtig ist zu verstehen: Unsere Gewinne stammen fast ausschließlich aus der Erzeugung von Strom, nicht aus dem Vertrieb an Endkundinnen und -kunden. Der Vertrieb war in der letzten Bilanz sogar leicht defizitär. Die Erzeugung von Strom hingegen ist daher profitabel, weil wir langfristig investieren haben und der Markt den Preis bestimmt. Jeder Euro, den wir in der Erzeugung verdienen, wird reinvestiert: In neue Windkraftwerke, PV-Anlagen, Speichertechnologien und neue Technologie
campus a: Es gibt keine Dividenden für Aktionäre?
Schitter: Wir schütten jährlich eine prozentual festgelegte Dividende an die Eigentümer, wie an das Land Oberösterreich, aus. Der Großteil der Gewinne bleibt im Unternehmen. Das ist unser Modell: Nachhaltige Gewinne durch nachhaltige Energieerzeugung, die wieder in nachhaltige Projekte fließen.
campus a: Wie schützt die Energie AG ihre Infrastruktur vor Cyberangriffen oder physischen Attacken?
Schitter: Sicherheit hat für uns oberste Priorität. Als kritische Infrastruktur investieren wir österreichweit Milliarden in physischen und digitalen Schutz. Unsere Netze sind so aufgebaut, dass selbst bei Ausfällen die Versorgung sichergestellt ist. Wir haben österreichweit eine Versorgungssicherheit von 99,995 Prozent, das heißt, nur etwa 20 Minuten pro Jahr gibt es Unterbrechungen. Das ist gering, investieren müssen wir allerdings weiterhin.
campus a: Wie wahrscheinlich ist ein Blackout?
Schitter: Extrem unwahrscheinlich. Wir führen regelmäßig Stresstests durch. Zuletzt konnten wir unser Netz innerhalb weniger Minuten wieder hochfahren. Österreich hat eines der sichersten Stromnetze Europas.
Energie AG-CEO, Leonard Schitter, zu Besuch in der Wiener campus a-Redaktion. Sein Ton ist direkt, visionär und manchmal kritisch. Das passt zu einem Manager, der ein Unternehmen mit 5.070 Mitarbeiter:innen und mehr als drei Milliarden Euro Umsatz bis 2035 klimaneutral machen will. Bloß wie will er das schaffen? Und wie tief greift er dafür in die Taschen von Österreichs Energieverbrauchern?
campus a: Zum Abschluss: Für viele ist die Energiebranche nicht ganz greifbar, Begriffe, wie Kilowattstunde oder Merit-Order erschweren das Verständnis zusätzlich. Was macht die Branche aus Ihrer Sicht so spannend?
Schitter: Die Begeisterung unserer 5.070 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter! Jeden Tag erlebe ich, mit welchem Engagement sie an Lösungen arbeiten. Wir gestalten hier nicht nur die Zukunft unseres Unternehmens, sondern ganz konkret die Lebensgrundlage kommender Generationen.
campus a: Vielen Dank für das Gespräch, Herr Schitter.
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