
Friedrich Schneider präsentiert seit Jahrzehnten einmal im Jahr seine Studie zur österreichischen Schattenwirtschaft. Zuverlässig berichten alle Medien über seine Prognose. Das ist Teil der journalistischen Routine und niemand hinterfragt mehr so genau die Quellen des inzwischen 76-jährigen emeritierten Linzer Volkswirtschaftsprofessors.
Doch während sich die Medienlandschaft in der Folge verlässlich an dem beklagenswerten Umstand abarbeitet, dass dem österreichischen Fiskus wieder einmal Milliarden entgehen werden (für 2025 sollen es laut Schneider 40,7 sein), bleibt eine Frage ungestellt: Warum eigentlich sind die Österreicher so brave Steuerzahler?
Denn Schneiders Zahlen lassen sich auch so lesen: Hierzulande werden 2025 voraussichtlich 8,1 Prozent des Bruttoinlandsproduktes (BIP) auf Schattenwirtschaft entfallen. Das mag für den neuen Finanzminister Markus Marterbauer betrüblich sein, doch in Wahrheit zeigen die Österreicher damit eine hervorragende Zahlungsmoral. Das ergibt sich aus Schneiders internationalem Vergleich.
Besonders oft am Staat vorbei wirtschaften die Griechen mit einem Verhältnis der Schattenwirtschaft von 21,8 Prozent zum BIP. Nicht viel besser sind die Italiener (21,4 Prozent) und die Spanier (17,5 Prozent). Selbst die Deutschen glänzen nicht gerade mit 11,5 Prozent. Nur die Schweizer sind mit 5,4 Prozent noch artiger als die Österreicher. Was genau macht Österreich in diesem Punkt so vorbildlich?
„Hier spielen die traditionellen österreichischen Erziehungsmuster eine Rolle“, sagt die Salzburger Psychologin und Universitätsprofessorin Sabine Schneider. „Wir bekommen Verhaltensmuster mit und übernehmen diese, wie beim Lernen am Modell. Österreicher, die am Staat vorbei wirtschaften oder ein geheimes Konto in Liechtenstein haben, waren immer schon eine Minderheit.“
Friedrich Schneider hat noch eine andere Erklärung. Österreichern ist demnach bewusst, dass sie sich im Zweifelsfall auf den Staat verlassen können. Bei wirtschaftlichen Problemen bekämen sie Sozialhilfe oder Arbeitslosengeld, bei gesundheitlichen wäre das immer noch relativ stabile österreichische Gesundheitssystem mit seinen Angeboten zur Stelle. „Wenn der Staat funktioniert, sinkt die Motivation seiner Bürger, sich aus wirtschaftlichen Gründen einer Straftat schuldig zu machen“, sagt Schneider.
Überraschend beim weltweiten Vergleich: Ein Land, dem das niemand zutrauen würde und in dem gerade jetzt das Chaos herrscht, schneidet im Schattenwirtschaftsranking besonders gut ab. In den USA wird deren Verhältnis zum BIP 2025 nur 7,5 Prozent vom BIP ausmachen. Die Ursache dafür hat mit dem amerikanischen Justizsystem zu tun. Es gibt eine strenge institutionelle Trennung zwischen Finanzbehörden und Strafverfolgung. Dem Finanzamt ist es gleichgültig, woher das Geld kommt, solange es da ist. Ob das auch unter Donald Trump so bleibt, ist abzuwarten.
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