
Rechtspopulisten machen sich zunehmend unabhängig von klassischen Medien. Sie kreieren ihre eigenen Medienkomplexe und umgehen so kritische Berichterstattung. Donald Trump macht es in den USA vor: Er lädt nur ausgewählte Medien zu Presseveranstaltungen ein und versucht, kritische Journalistinnen und Journalisten mithilfe seiner „Flood the Zone“-Strategie zu überfordern. Die gezielte Überflutung der Medien mit Informationen soll Unsicherheit und Überforderung in Redaktionen auslösen. Das Internationale Journalismusfestival hat das Thema aufgegriffen. Wie gehen internationale Journalistinnen und Journalisten mit medienfeindlichen Regierungschefs wie Trump um? Und wie lässt sich langfristig objektiver Journalismus erhalten?
Schon vor Trumps neuerlichen Wahl zum amerikanischen Präsidenten waren viele Medienschaffende besorgt. Dass die Lage jedoch so dramatisch werden würde, überraschte selbst Betsy Reed, die Leiterin der US-Sektion des Guardian: „Es ist viel schlimmer, als ich es erwartet hätte“, sagte sie in Perugia. „Die Flood-the-Zone-Strategie funktioniert aufgrund eines Mangels an Mitarbeitern“, erkennt Reed an. Es werde zunehmend schwer, zwischen relevanten und irrelevanten Inhalten zu unterscheiden.
Die Vereinigten Staaten würden aktuell einer Autokratie ähneln, so die US-Journalistin weiter. „Viele Medien kapitulieren vor der Trump-Administration.“ Die Schuld sieht sie nicht bei den einzelnen Journalistinnen und Journalisten, sondern in der Struktur der Medienhäuser. Entscheidend sei die Frage der Finanzierung. Wer auf öffentliche Gelder oder zahlende Abonnentinnen und Abonnenten angewiesen sei, habe es schwer, sich politischem Druck zu entziehen. Der Guardian werde durch eine Stiftung getragen und befinde sich daher in der glücklichen Lage, unabhängig berichten zu können.
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Auch ausländische Journalisten spüren den zunehmenden Druck. Can Dündar, den türkische Behörden 2015 inhaftierten, lebt inzwischen in Berlin. Kürzlich sagte er eine geplante USA-Reise ab. Sein Anwalt riet ihm davon ab: „Versuche gar nicht erst, in die USA zu fliegen“, meinte er, als Dündar eine berufliche Reise mit der Deutschen Welle plante. In den USA drohe ihm die Festnahme, wegen der engen Freundschaft zwischen dem türkischen Präsidenten Erdoğan und Donald Trump. Während früher die USA als Zufluchtsort für bedrohte Journalisten galt, hat sich dieses Verhältnis inzwischen spürbar verschoben.
Umso wichtiger sei es, dass Journalistinnen und Journalisten zusammenhalten, meint Reed: „Journalisten sind immer ehrgeizig, das ist aber nicht notwendig. Es ist notwendig, dass man zusammenhält, wenn eine übergeordnete Institution den Journalismus attackiert.“ Das sieht auch Jason Rezaian so. Der Reporter der Washington Post wurde von iranischen Behörden festgenommen und setzt sich seither verstärkt für Pressefreiheit ein. „Die Gegenwehr durch Journalisten ist auf einem Allzeithoch.“
Rezaian sieht die Verantwortung nicht nur bei der Politik, sondern auch bei der Gesellschaft. Die gezielte Stimmungsmache vieler Regierender gegen unabhängige Medien führe zu einem zunehmenden Vertrauensverlust in der Bevölkerung. Diese Wahrnehmung müsse sich ändern. „Wir müssen beweisen, dass Journalismus die Probleme der Menschen löst.“ Wenn das gelinge, sei es noch nicht zu spät, um gegenzusteuern.
Eine Zuhörerin fragt in Perugia, ob Journalisten in solchen Zeiten nicht zwangsläufig auch Aktivisten sein müssten. „Ich sehe kaum einen Unterschied zwischen Aktivismus und Journalismus“, antwortet der Deutsch-Türke Dündar. Er betont aber, dass das oberste Ziel von Berichterstattung weiterhin Objektivität und das Erzählen von Geschichten sein müsse. Dennoch gebe es Grundwerte, die für alle gelten sollten: „Pressefreiheit und freie Meinungsäußerung gehören dazu.“ Was also macht Hoffnung?
„Wir haben eine neue Ära des Journalismus erreicht. Vielleicht können wir nun etwas Neues aufbauen“, meint Dündar. Rezaian beschreibt sich selbst als „unrealistisch optimistisch“ und sieht in neuen Technologien eine Chance: „Wir können Geschichten schneller, nuancierter und in so vielen Sprachen gleichzeitig veröffentlichen wie noch nie zuvor.“ Ob aus dieser Hoffnung ein stabiles Fundament wird, ist offen. Klärende Antworten wird es wohl frühestens nächstes Jahr beim Journalistenfestival in Perugia geben.