
Interview. Prof. Rainer Lipp ist Onkologe und Nuklearmediziner an der Medizinischen Universität Graz und wird in diesem Interview einige Aspekte der Herzinsuffizienz und deren Behandlungsmöglichkeit in Kürze erläutern.
Was bedeutet Herzinsuffizienz und wieso kann sie tödlich sein?
Das Herz verliert seine Pumpleistung, was zu einem Rückstau von Blut und einer verminderten Durchblutung führt. Je nach Ursache und Schwere kann das Blut in der Lunge (Linksherzinsuffizienz) oder im Körperkreislauf (Rechtsherzinsuffizienz) zurückgestaut werden.
Durch die schwache Pumpleistung erhalten Gehirn, Nieren, Leber und andere Organe zu wenig Sauerstoff, wodurch ein Organversagen folgen kann. Durch die Stauung in der Lunge kann ein Lungenödem mit schwerer Atemnot entstehen. Das Risiko für Herzrhythmusstörungen steigt. Alle diese schweren Krankheitsbilder können unbehandelt tödliche Folge haben.
Bei welcher Form der Herzinsuffizienz kann die Nuklearmedizin einen Beitrag leisten?
Eine Sonderform der Herzinsuffizienz kann durch eine kardiale Amyloidose ausgelöst werden. Es sind 2 Formen der kardialen Amyloidose bekannt. Die AL-Amyloidose, die durch eine Blutzellerkrankung (meist Plasmazelldyskrasie) hervorgerufen wird und durch eine spezielle Blut- und Harnuntersuchung ausgeschlossen werden muss. Die ATTR-Amyloidose wird durch ein Transsporteiweiß-Abbaustörung des Transthyretins ausgelöst. Dabei entstehen Eiweißfibrillen die zwischen Gewebszellen zum Beispiel zwischen Herzmuskelzellen abgelagert werden können. Diese Erkrankung tritt schleichend auf, betrifft häufig Männer im höheren Alter (> 60 Jahre) und können auch andere Strukturen wie Sehnenscheiden, Nervenbahnen, weitere Organe betreffen.
Welche Symptome können frühzeitig auf eine kardiale Amyloidose hinweisen?
Müdigkeit, Mattigkeit, eingeschränkte Leistungsreserve und beginnende Atemnot unter körperlicher Anstrengung können frühzeitig auftreten sind allerdings unspezifisch und können auf eine kardiale Amyloidose hinweisen. Vor allem wenn zusätzlich ein Karpaltunnelsyndrom, eine unklare Orthostase Neigung besteht, eine Ruptur einer Bizepssehne ohne Kraftanstrengung aufgetreten ist können auf eine kardiale Amyloidose hinweisen.
Welche sind die nächsten diagnostischen Schritte?
Mit einer Herzultraschalluntersuchung können die Pumpleistung, eine Wandverdickung, Kontraktilitätsstörungen und die Herzklappenfunktion sehr gut beurteilt werden. Mittels Elektrokardiogramms und 24 Stunden EKG können Herzrythmusstörungen frühzeitig erfasst werden. Nach Ausschluss bekannter häufiger Ursachen der Herzinsuffizienz wird die Frage nach Proteinablagerungen mittels Magnetresonanztomographie und der Nuklearmedizin abgeklärt.
Was sind die Vorteile der der nuklearmedizinischen Untersuchung im Vergleich zur Magnetresonanztomographie?
Mittels 99m-Tc-HDP oder 99m-Tc-PYP stehen in Österreich zwei radioaktive Tracer zur Verfügung, um eine pathologische Ablagerung von Proteinen im Herzmuskel (kardiale ATTR-Amyloidose) zu untersuchen. Eine hohe Isotopenanreicherung des Herzens im Vergleich zur Umgebung ist praktisch beweisend für eine ATTR-Amyloidose des Herzens. In einer Metaanalyse wird die Sensitivität sehr hoch mit 99 Prozent und die Spezifität mit 100 Prozent angegeben. Nach der intravenösen Injektion des Radiopharmakons werden nach einer Wartezeit von zwei bis drei Stunden planare und tomographische Schnittaufnahmen des Herzens mit einer Gammakamera angefertigt. Da hier kein Kontrastmittel eingesetzt werden muss sind mit keinen wesentlichen Nebenwirkungen zu rechnen.
Ist eine Muskelbiopsie zur Diagnosesicherung unbedingt erforderlich?
Da die Untersuchung sehr sensitiv ist, ist eine Biopsie des Herzmuskels, die eine invasive Methode ist, nicht mehr erforderlich. Nur in seltenen Fällen, bei unklaren Befundkonstellationen zwischen Herzultraschall, Nuklearmedizin und MRT ist eine Muskelbiopsie des Herzens erforderlich, um bei histologischer Bestätigung der Diagnose eine zielgerichtete Therapie einleiten zu können.
Ja, deshalb ist auch die rechtzeitige korrekte Diagnose notwendig. Mit Tafamidis steht eine EMA-zugelassene Therapie in Österreich zu Verfügung. Dabei wird eine Stabilisierung des Transporteiweißmoleküles erreicht und so das Voranschreiten der Herzinsuffizienz verhindert. In einer prospektiven randomisierten Studie konnte das Langzeitüberleben unter Tafamidis (fast fünf Jahre Beobachtungszeitraum) im Vergleich zur Kontrollgruppe statistisch signifikant verlängert werden (55 Prozent versus 37 Prozent). Dieses Medikament wird vom behandelnden Kardiologen verschrieben und weist ein sehr gutes Nebenwirkungsprofil auf. Fallweise werden neben Allgemeinsymptome, gastrointestinale Beschwerden insbesondere Durchfälle und Juckreiz angegeben.
Bei der kardialen ATTR-Amyloidose handelt es sich um eine seltene komplexe Systemerkrankung mit eventuell Befall des Herzens und weiterem Organbefall und unterschiedlicher klinischer Präsentation. In der Nuklearmedizin sehen wir bei der Knochenszintigraphie von Prostatakarzinom Patienten, die zur Abklärung von Knochenmetasen geschickt werden, gelegentlich eine nicht zu erwartende Herzanreicherung, die ein Hinweis für die pathologischen Proteinablagerungen in der Herzmuskulatur ist. Hier gilt es interdisziplinär zwischen den einzelnen Fachdisziplinen wie Urologie, Onkologie, Neurologie, Rheumatologie, Radiologie, Nuklearmedizin und Kardiologie die richtigen Schlüsse zu ziehen und so frühzeitig die betroffenen Patienten einer lebensverlängernden Therapie zuführen zu können.
Ein Bildbeispiel aus der Praxis
75-jähriger Patient mit bioptisch gesichertem Prostatakarzinom zur Abklärung fraglicher Knochenmetastasen. 99mTC-HDP Ganzkörperaufnahme von vorne und hinten. Neben degenerativen Veränderungen v.a. in der rechten Schulter, in der Wirbelsäule, Handwurzeln fällt ein hoher Traceruptake im Herzmuskel auf, der auch im Herzultraschall und in der MRT-Untersuchung den Verdacht auf eine ATTR -Amyloidose bestätigt hat.
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