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„Der Zerfall der USA hat längst begonnen“

Die USA wirken auf den ersten Blick unerschütterlich: militärisch überlegen, wirtschaftlich führend, kulturell prägend. Doch unter der Oberfläche brodelt es. Ein Gespräch mit dem Militärexperten Gerald Karner über die inneren Bruchlinien der Supermacht, die Gefahr durch Donald Trumps Politik und die Frage, ob die USA tatsächlich an sich selbst scheitern könnten.
Bernadette Krassay  •  27. Mai 2025 CvD    Sterne  480
Militärexperte Gerald Karner analysiert im Gespräch mit campus a geopolitische Schwächen der USA, gesellschaftliche Spannungen und das zerstörerische Potenzial einer zweiten Trump-Präsidentschaft. (Foto: Lukas Beck)
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Im campus a-Interview spricht Militärexperte Gerald Karner über geopolitische Schwächen der USA. Karner ist selbständiger Strategie- und Organisationsberater. Zuvor war er viele Jahre im österreichischen Bundesheer tätig, zuletzt als Leiter der Abteilung Militärstrategie. Für seine publizistischen Leistungen erhielt er 2003 den Österreichischen Staatspreis. Seit seinem Austritt aus dem Bundesheer 2006 ist er als Fachautor und Berater aktiv.

campus a: Ist die Vormachtstellung der USA als Weltmacht neben China so unerschütterlich wie sie wirkt?

Gerald Karner: Keineswegs. Die USA sind zwar führend im Dienstleistungs- und Finanzsektor, aber sie haben gravierende strukturelle Schwächen. Mit einem Präsidenten wie Trump könnte die USA tatsächlich ins Wanken geraten. Nicht in einer einzigen Amtszeit, aber wenn er das Tempo beibehält und womöglich eine dritte Periode bekommt, wird es gefährlich. Wenn es jemand schaffen kann, die USA zu destabilisieren, dann er.

Wie könnte er das schaffen?

Er bringt keine Produktionskapazitäten zurück. Zölle allein reichen dafür nicht. Gleichzeitig greift er die tatsächlichen Stärken der USA an: den Finanzsektor und den Dienstleistungsbereich. Das Vertrauen der Investoren ist sensibel. Wenn es schwindet, kann das zu einer echten Systemkrise führen.

Was sind die möglichen Bruchstellen der USA?

Zum einen ist da ist die gesellschaftliche Zerrissenheit: soziale Ungleichheit, fehlende Bildung, evangelikaler Fundamentalismus, Rechtsruck, Drogenmissbrauch. In manchen Regionen herrscht Verelendung, ausgelöst durch den Verlust der Industrie und durch ein kaputtes Sozialsystem. Das alles führt zu einer tiefen Entfremdung. In diesem Vakuum kann jemand wie Trump wie ein vermeintlicher Heilsbringer auftreten.

Wie schnell könnten die USA das kippen?

Der Zerfall erfolgt nicht abrupt sondern schleichend, aber er ist längst im Gang. Wenn sich zeigt, dass Trump nicht liefert, kann das zu weiteren Verwerfungen führen und das kann explosiv werden. Die USA haben schon früher gesellschaftliche Spannungen erlebt wie etwa Vietnam oder Rassenunruhen. Doch das hier ist eine neue Gemengelage mit enormer Sprengkraft.

Wie steht es im Vergleich dazu mit China?

China steht stabiler da, weil es ein klar durchstrukturiertes System mit hoher Disziplin und enormer Produktionskraft hat. Das ist kurzfristig ein Vorteil. Aber langfristig wird die Indoktrination zum Problem. Wenn die Einheitlichkeit bröckelt, und das wird sie, dann steht China vor einer Zerreißprobe. Es sind jährlich zwei Millionen Hochschulabsolventen, die irgendwann kritisch fragen werden.

Und Europa?

Europa darf nicht passiv bleiben. Es hängt viel davon ab, wie wir uns als demokratisches Modell behaupten. Auf die USA zu setzen, reicht nicht mehr. Europa muss mitgestalten. 

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