
Salzburg lebt von seiner Geschichte und von seinen Bergen. Zwischen barocken Fassaden und engen Altstadtgassen ragen Mönchsberg und Kapuzinerberg in den Himmel. Am Mönchsberg leben nur wenige Menschen. Sie sprechen von einem Alltag wie in einem Dorf. Einer von ihnen ist Gandolf Aigner. „Grundsätzlich ist das Leben hier sehr friedlich“, sagt er. Vom Mönchsberg blickt er direkt auf den Kapuzinerberg.
Gegenüber sorgt ein ambitioniertes Bauprojekt für Gesprächsstoff in der Stadt: Wolfgang Porsche, der Industriellenerbe und Aufsichtsratsvorsitzende der Porsche AG aus Stuttgart, plant den Bau eines privaten Tunnels durch den Kapuzinerberg. Dabei möchte der 81-Jährige das Paschinger Schlößl, das er im Jahr 2020 von der Familie Gollhofer gekauft hat, durch eine einspurige Tunnelröhre direkt mit dem Straßennetz verbinden. Am Fuße des Kapuzinerbergs soll gebohrt werden, um später die Betonmembran einzusetzen. Gutachter haben eine Strecke festgelegt, bei der der Berg stabil bleibt. Schon längst ist aus der Causa ein Politikum geworden.
Es handelt sich bei dem Paschinger Schlößl um ein elegantes Gebäude mit reicher Historie. Der 1942 verstorbene Schriftsteller Stefan Zweig hat die Villa oberhalb der Salzburger Innenstadt bewohnt. Viele weitere bedeutende Schriftsteller suchten an diesem besonderen Ort Inspiration, darunter Thomas Mann. Der Kapuzinerberg gilt als einer der wichtigsten Grünräume Salzburgs. „In solch historische Orte wie den Kapuzinerberg sollte so wenig wie möglich eingegriffen werden“, sagt Aigner. Er selbst nutzt den steilen Aufgang zum Mönchsberg: „Mit dem Auto auf den Mönchsberg zu gelangen ist ein Horror. Ich kann sehr gut nachvollziehen, dass Herr Porsche seine eigene private Möglichkeit will, diese Villa zu erreichen.“
Der Vorbesitzer, Gunther Gollhofer (90), beschreibt das Leben dort pragmatisch: „Das Haus war zu groß und es war zu umständlich. Irgendwas war immer kaputt.“ Mit einem Lachen ergänzt er: „Handwerker haben gesagt: ‚Nein, oh nein, der Kapuzinerberg? Das ist zu schwierig zu erreichen!‘“ Der steile, enge Zugang machte das Leben am Berg zu einer logistischen Herausforderung. Die Stadt Salzburg hatte dreimal die Gelegenheit das Schlössl zu erwerben, ließ sie jedoch verstreichen. So kam Wolfgang Porsche ins Spiel. Bekannte vermittelten Wolfgang Porsche an Gunther Gollhofer. Über mehrere Monate wollte der 90-Jährige Vorbesitzer herausfinden, ob das nötige Interesse vorhanden ist. „Wir wollten das Haus nicht an irgendeinen Russen verkaufen, der einfach nur sein Geld anlegen wollte. Herr Porsche hat das Geld und das Interesse. Er kümmert sich, das habe ich gespürt.“, so Gollhofer.
Dieses Verständnis fehlt bei vielen Salzburgern. Verantwortlich ist die Genehmigungsbehörde der Stadt Salzburg, federführend vertreten durch das Bauamt und den Gemeinderat. Der jüngste Sohn von Ferry Porsche, dem Mitbegründer der Marke Porsche, befindet sich mitten in einem brisanten Spannungsfeldes zwischen dem Recht auf Privateigentum und dem Schutz öffentlicher Güter.
Der Vorbesitzer Gunther Gollhofer sieht das gelassen: „Er hat das Geld, er hat bezahlt. Soll er doch in den Berg bohren, da stört er doch niemanden.“ Er hält den Widerstand gegen das Projekt für überzogen: „Im Grunde ist es eine Neid- und Verhinderungsgesellschaft.“ Porsche selbst hat für das Nutzungsrecht städtischer Grundstücke am Berg rund 40.000 Euro entrichtet. Das findet Aigner hingegen „erstaunlich niedrig“. „In einen so wichtigen öffentlichen Raum einzugreifen, sollte schon deutlich mehr kosten.“ Porsche selbst hält sich öffentlich bedeckt, doch in Salzburgs Gesellschaft ist die Debatte entfacht.
Die Geschichte des Kapuzinerbergs ist lang, seine Zukunft aktuell ungewiss. Der Tunnel mischt das friedliche Leben zwischen Mönchsberg und Kapuzinerberg weiter auf. Es bleibt abzuwarten, ob Porsche den Tunnel tatsächlich baut und wie er den Charakter des Bergs verändert. Eines ist jedoch klar: Der Kapuzinerberg bleibt ein Ort, an dem Vergangenheit und Gegenwart, Tradition und Zukunft aufeinandertreffen, und an dem die Diskussionen über Besitz, Macht und Verantwortung weitergehen werden.
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