
Andreas steht in der offenen Wohnungstür. Vor ihm: ein Rollkoffer, ein Rucksack, ein Beutel mit Geschenken. Drinnen herrscht Stille. Anja hat alles gepackt. Kein Streit, keine Tränen, keine Erklärung. Nur ein paar Sätze, die sich eingebrannt haben. Sie fühle nichts mehr. Kein Begehren. Sie könne ihn nicht mehr riechen. In ihrem Kopf tobe ein Sturm.
Am nächsten Tag legt Andreas den Verlobungsring auf den Esstisch. Später schreibt er in ein Onlineforum: Hat sie mich all die Jahre nur durch die Pille geliebt? Kurz vor der Trennung hatte Anja die Pille abgesetzt.
Was Gefühle mit Hormonen zu tun haben
Tausende melden sich mit Antworten. Andere Männer erzählen Ähnliches. Viele berichten, dass Frauen nach dem Absetzen der Antibabypille plötzlich fremd wirken. Beziehungen zerbrechen. Gefühle verschwinden. Wie ist das möglich?
Die Forschung untersucht inzwischen, wie hormonelle Verhütungsmittel Partnerwahl, Anziehung und Beziehungsstabilität beeinflussen. Die Pille verändert nicht nur den Zyklus. Sie wirkt auf Geruch, Verhalten und das Gefühl von Nähe und gestaltet so Partnerschaften mit.
Anziehung, die aus dem Innersten kommt
Die Natur bevorzugt genetische Vielfalt. Frauen fühlen sich häufig zu Männern hingezogen, deren Geruch große genetische Unterschiede offenbart. Ein solcher Unterschied verschafft Kindern stärkere Abwehrkräfte, mehr Widerstandskraft und laut einer weltweiten Untersuchung mit mehr als 350.000 Teilnehmenden sogar höhere Intelligenz.
Diese unbewusste Partnerwahl verändert sich durch die Pille. Sie täuscht eine Schwangerschaft vor. Das Hormonsystem der glaubt gleichsam, die Frau habe bei der Fortpflanzung alles richtig gemacht und stellt sich um. Nun sind genetisch vergleichbare Männer gefragt, die eher eine harmonische und schützende Umgebung bilden. Während sie die Pille nehmen, fühlen sich Frauen also zu ganz anderen Männern hingezogen als danach, die haben bei ganz anderen Männern das Gefühl, die Chemie würde stimmen.
Veränderte Vorlieben in der Liebe
Auch ästhetische Vorlieben verschieben sich durch die Pille. Ohne hormonelle Verhütung bevorzugen viele Frauen während der fruchtbaren Tage markante Gesichtszüge und tiefe Stimmen. Das gilt als Zeichen guter genetischer Ausstattung. Mit Pille rücken fürsorgliche, weichere Merkmale stärker in den Vordergrund. Die Hormone lenken die Aufmerksamkeit auf Verlässlichkeit und Stabilität.
Nach dem Absetzen der Pille geraten viele Beziehungen dann naturgemäß aus dem Gleichgewicht. Gefühle verblassen, Nähe geht verloren. Forschende beobachteten außerdem einen weiteren Effekt. Frauen, die ihren Partner während der Pilleneinnahme kennenlernen, empfinden während einer späteren Schwangerschaft oft stärkere Anziehung als Frauen, die sich im natürlichen Zyklus verliebten. Schließlich entspricht nun das chemische Gleichgewicht wieder dem bei den ersten Dates.
Beobachtungen aus dem Tierreich
Auch im Tierreich treten diese Effekte auf. In Versuchen mit Makaken zeigen Männchen deutlich weniger Interesse an Weibchen, die hormonell verhüten. Veränderte Duftstoffe signalisieren Unfruchtbarkeit. Beim Menschen wirken ähnliche Mechanismen. Männer reagieren während der fruchtbaren Tage sensibler auf Geruch, Stimme und Verhalten von Frauen. Die Pille unterdrückt diese Signale.
Ein Forschungsbeispiel aus Nachtlokalen stützt diese These. Tänzerinnen verdienen während ihrer fruchtbaren Phase rund zwanzig Dollar mehr pro Stunde als an anderen Tagen. Wer hormonell verhütet, erhält im Durchschnitt achtzig Dollar weniger pro Schicht. Biologische Signale beeinflussen die Wahrnehmung, auch ohne bewusstes Erkennen.
Wenn Nähe nachlässt
Wie empfindlich Beziehungen auf hormonelle Veränderungen reagieren, zeigt auch eine Studie der Universität Florida: Viele Frauen, die ihren Partner unter Einfluss der Pille gewählt haben, empfinden später sexuelle Unzufriedenheit. Sie berichten von geringerer körperlicher Anziehung, obwohl andere Aspekte wie Bildung oder Einkommen stimmen.
Männer beschreiben sich selbst als weniger begehrenswert, wenn ihre Partnerin hormonell verhütet. Frauen, die nach Jahren die Pille absetzen, empfinden oft weniger Nähe. In vielen Fällen halten Paare nur dann länger zusammen, wenn die Frau durchgehend hormonell verhütet oder niemals damit begonnen hat.
Zahlen, die aufhorchen lassen
Mehr als 5.300 geschiedene Frauen nahmen an einer groß angelegten Untersuchung zum Thema teil. Frauen, die hormonell verhüteten, trennten sich 54 Prozent häufiger als der Durchschnitt. Auch eine britische Kanzlei für Familienrecht legte Zahlen offen. Fast ein Viertel der befragten Frauen nennt die Pille als Mitgrund für das Ende ihrer Partnerschaft.
Zusammenhänge, die tief in die Grundlagen einer Beziehung eingreifem, in Anziehung, Vertrauen, Intimität.
Wenn etwas verschwindet, das nicht sichtbar ist
Bekannt sind vor allem die körperlichen Nebenwirkungen der Pille. Dazu zählen Thrombosen, Stimmungsschwankungen und Gewichtszunahme. Weniger diskutiert sind die leisen Veränderungen, die Beziehungen untergraben. Wer sich nach dem Absetzen fremd fühlt, erlebt keinen bloßen Verlust, sondern einen Bruch in der inneren Verbindung.
Die Chemie zwischen zwei Menschen entsteht nicht aus Worten sondern durch Gerüche, Hormone und Körpersprache. Wenn sie verstummt, bleibt oft nur Leere.
Andreas hat das Fotoalbum behalten. Es liegt in einer Kiste mit Erinnerungen. Gelegentlich blättert er darin. Dann fragt er sich, was geblieben wäre, wenn Anja die Pille weitergenommen hätte.
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