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Arbeiten, wo andere Urlaub machen: 14 Jahre im Clubhotel

Das Leben und Arbeiten in der Clubhotellerie ist alles andere als gewöhnlich. Was auf Viele wirkt wie bezahlter Dauer-Urlaub, bedeutet für die Mitarbeiter oft Dauerstress. Drei Club-Mitarbeiter berichten von ihren Erfahrungen.
Patricia Schock  •  12. Juni 2025 Volontärin    Sterne  122
Gute Stimmung, leckeres Essen und ein Job mit Sinn. Für viele der Grund, im Club zu arbeiten. (Foto: shutterstock)
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Arbeiten, wo andere Urlaub machen. 14 Jahre Vollzeit in der Clubhotellerie. Was ist es, was den Job so interessant macht?

Sie schuften, wenn andere feiern. Sie jonglieren mit Cocktailwünschen, Kinderanimation und Gästebeschwerden. Und strahlen dabei oft mehr als die Urlauber selbst. Wer in der Clubhotellerie arbeitet, entscheidet sich für ein Leben im Ausnahmezustand. Sonne satt, Gäste ohne Ende, täglich Party, wenig Privatsphäre. Und doch eine große Portion Erfüllung. Warum bleiben einige Menschen diesem Lebensstil über Jahre, teils Jahrzehnte treu? Was zieht sie an? Was hält sie dort? Und vermissen sie die Struktur eines „normalen“ Lebens gar nicht?

Wir haben mit drei (ehemaligen) Mitarbeitenden aus der Clubhotellerie gesprochen, die uns zeigen, dass es manchmal genau die Unordnung ist, in der sie ihren Platz finden.

Chris: “Ich will Menschen glücklich machen – das ist mein Sinn”

Chris ist 41, aktuell in Spanien, und hat den Clubhotel-Alltag im Blut. Seit vielen Jahren arbeitet er in Ferienanlagen mit Tanzshows, Gemeinschaftstischen und stets wechselndem Gästepublikum. Für ihn ist es kein Job. „Es ist meine Berufung, mich um Menschen zu kümmern.“ Als Crewtrainer und damit Bindeglied zwischen Mitarbeiter und Geschäftsführung ist er an damit an der genau richtigen Position. „Ich liebe die Arbeit mit Menschen. Ich liebe es, wenn ich sehe, dass ich jemandem einen wirklich schönen Moment ermöglichen kann.“

„Das kann nicht alles gewesen sein.“

Chris hat das strukturierte Leben mit einem 9 to 5-Job in Deutschland kennengelernt. Und bewusst abgelehnt. Im Stau stehen bei Nebelwetter, eintönige Muster am Arbeitsplatz und nach der Arbeit: Couch. Zu ausgelaugt vom Alltag für weitere Aktivitäten. Ein Gefühl begleitete ihn ständig: „Das kann nicht alles gewesen sein.“

Also tauschte Chris Deutschland gegen Spanien, Stau gegen Clubtanz und eintönige Arbeitsstrukturen gegen die Abwechslung des Clublebens. Er genießt die gewonnene Freiheit und die Erfüllung seines Arbeitsplatzes. Das Kochen sei das Einzige, was er aus seinem deutschen Leben vermisst. „Aber das Leben in Deutschland wird zu teuer. Hier im Club muss ich nicht für Lebensmittel und Strom, Wasser, Gas zahlen.“

Abstand zum Dauer-Trubel

Natürlich, sagt Chris, kann die ständige Nähe zu Gästen und Kollegen auch überfordern. Wer nie allein ist, braucht umso mehr die Fähigkeit, sich selbst bewusst zurückzuziehen. Sich seine Zeitinseln zu schaffen. Sport treiben ist dabei ein wichtiges Ventil. „Ich nehme mir Abende für mich. Kein Socializing, keine Show, kein Drink mit dem Team. Dann ziehe ich mich zurück.“ „Nein“ sagen zu können sei hartes Training. Aber irgendwann entfällt das Gefühl, etwas zu verpassen. „Die nächste Party kommt sowieso.“

Chris sei lange nicht krank gewesen. Er schöpft Energie aus seiner Arbeit. Dies sei bei jüngeren Mitarbeitern, die aus der Schule direkt in das Clubhotel fallen, anders: „Viele sind nicht so resistent. Sie zeigen anfangs zu viel Engagement beim Gästekontakt und an der Bar. Dann sind sie schnell ausgelaugt.“ Im Clubhotel, sagt Chris, sei das Leben zwar intensiver, aber auch lebendiger. Und für ihn sinnstiftend. „Ich hab gutes Essen, gute Laune um mich herum und vor allem einen Job, der Sinn macht. Das ist für mich mehr wert als Routine und Ordnung.“

Zwischen Chaos und Party. Und echter Erfüllung

Was Chris erzählt, klingt wie das Gegenteil von dem, was viele Menschen an ihrem Alltag schätzen: Sicherheit, Struktur, klare Trennung von Arbeit und Freizeit. Doch in der Clubhotellerie ist alles anders. Und genau das scheint viele anzuziehen, die dort arbeiten.

Zwischen Erfüllung und Erschöpfung. Warum Marion der Clubhotellerie den Rücken kehrte

MarionMarions Traum von Marokko wurde im Clubhotel nicht wahr. (Foto: Marion Schweiger)

Für viele ist die Arbeit im Clubhotel ein Lebenstraum. Für Marion war es eine wichtige, aber ernüchternde Erfahrung.

Mit 44 Jahren entschied sie sich für einen beruflichen Tapetenwechsel. Raus aus dem deutschen Büroalltag, rein in die marokkanischen Berge. Die Idee: ein Auslandsaufenthalt mit Perspektive, vielleicht auch ein beruflicher Neustart in einer lebendigeren, bunteren Welt. Doch was als Abenteuer begann, entsprach nicht ihren Hoffnungen.

Enttäuschte Club-Hoffnung

„Ich wollte Marokko erleben, das Land kennenlernen. Stattdessen war ich im Hotel.“ Marion hatte gehofft, durch die Arbeit im Clubhotel einen echten Einblick in das Leben vor Ort zu bekommen. Neue Kulturen, neue Menschen, neue Energie. So war der Plan. Doch die Realität sah anders aus. „Ich war in einer Sechs-Tag-Woche, oft von morgens bis abends eingespannt. Ich war eigentlich die ganze Zeit auf dem Clubgelände. Ich hab kaum was vom Land gesehen.“

Sie fühlte sich eingenommen von der Arbeit, erschöpft vom sozialen Dauerbetrieb, und irgendwann auch enttäuscht. Manche Gäste vergessen die Distanz zu den Mitarbeitern zu wahren. Das war nicht das, was sie sich unter einem Leben im Ausland vorgestellt hatte. Sie knüpfte zwar wertvolle Kontakte, fand Spaß in ihrem Beruf als Fitness-Trainerin. Doch zwischen Show-Auftritten, Koch-Diensten und dem Dauer-Gastgeber-Dasein blieb wenig Zeit, Land und Leute kennenzulernen.

Dankbar für Sicherheit

Dabei sah Marion auch die Vorteile. Den Alltag, der ihr plötzlich abgenommen wurde. Kein Einkaufen mehr, kein Kochen, kein Putzen, keine Nebenkostenabrechnung. „Das war schon ein gewisser Luxus, den ich zu schätzen gewusst habe. Die gewonnene Zeit konnte ich für mich oder für die Arbeit nutzen.“ sagt sie rückblickend. Jeden Tag gutes Essen, ein Bett, medizinische Versorgung, Versicherung und ein regelmäßiges Einkommen. Alltagssorgen, die das Hotel übernimmt.

Genau diese Sicherheit fehlte später, nun auf eigenen Beinen, immer noch im Ausland. Ohne die Struktur und Absicherung des Clubhotels wurde vieles plötzlich komplizierter. Unsicherer. Insbesondere im unbekannten Ausland.

Zwischen Selbstbestimmung und Schutzraum

Marions Perspektive ist eine andere als die von Chris, aber nicht weniger ehrlich. Während manche in der Clubhotellerie ihren Lebenssinn finden, erleben andere sie als zu eng, zu laut, zu fordernd. Wo sie Abenteuer suchte, fand sie zeitliche Einschränkung.

Marion hat sich bewusst dagegen entschieden, ist ihren eigenen Weg gegangen. Sie reflektiert heute sehr klar, was sie aus der Zeit mitgenommen hat. „Ich bereue es nicht. Ich habe viel gelernt: über mich, über meine Grenzen, und auch darüber, was ich wirklich brauche, um mich wohlzufühlen. Für manche mag das Clubhotel Freiheit bedeuten. Für mich war es am Ende ein geschützter Raum, der mir aber viel abverlangt hat.“

„Nicht, dass wir in Deutschland einen neuen Bundeskanzler bekommen – und ich davon nichts mitbekomme.“

ModerationBerti bei seiner abendlichen Routine: Moderation im Bademantel (Foto: Tobias Berthold)

Wenn jemand weiß, wie es in der Clubhotellerie läuft, dann ist es Berti. 38 Jahre alt, 14 davon verbrachte er bereits in Urlaubsresorts. Sein Start war eher klassisch: Eine Ausbildung zum Sport- und Fitnesskaufmann, dann der Wunsch nach Auslandserfahrung. Also ging es los. Weit weg aus der deutschen Heimat wollte er. Also verschlug es ihn ins weit entfernte Österreich. An seinen ersten Tag erinnert er sich gut: „Ich kam an und meine erste Amtsaufgabe war es, bei der Dirty-Dancing-Tanzprobe mitzuwirken.“ 14 Jahre später leitet er mit Struktur, Herz und Humor das Entertainment-Team in einem spanischen Resort.

14 Jahre Gastgeber mit Haltung

Berti liebt das Gastgeber-Sein. Den Kontakt mit Menschen. Die gute Stimmung, das pulsierende Leben eines Clubhotels. Und gleichzeitig hat er einen tiefen Sinn für Verantwortung entwickelt. Gegenüber seinem Team, gegenüber sich selbst.

„Ich weiß, was dieser Job bedeutet und was er abverlangt. Gerade junge Mitarbeitende unterschätzen das manchmal. Aber man muss sich auch selbst führen können. Sonst geht man in diesem Dauer-Trubel unter.“ Er selbst lebt klare Regeln. Lernt, selbst zu fordernden Gästen „Nein“ sagen zu können. „Irgendjemand will immer mit dir trinken.“

Für Berti ist das tägliche Buffet auf Sterneküche-Niveau keine Selbstverständlichkeit. Kein Ausnutzen der Freiheiten, die das Clubleben mit sich bringt. „Natürlich ist das Luxus, was wir hier haben. Aber das darf man nicht vergessen. Und nicht verschwenden. Wenn jemand drei Lava-Cakes nimmt und keinen aufisst, dann geht mir das schon nahe. Viele haben gar kein Bewusstsein mehr dafür, was sie da eigentlich genießen.“

Prinzipien statt Party-Dauerschleife

Nach über einem Jahrzehnt im Cluballtag fragt sich: Wird das nicht irgendwann zu viel? Dieselben Shows, dieselbe Musik, derselbe Rhythmus, Tag für Tag? Und das für durchschnittliche 1000 Euro netto bei einer Sechs-Tage-Woche und Arbeitszeiten weit über die acht Stunden hinaus. Berti behält einen kühlen Kopf, solange er sich und seinen Werten treu bleibt. Seine Grenzen nicht vergisst.

Er nimmt sich bewusst Zeit allein. Zum Sporttreiben. Zum Reflektieren. Abstand nehmen. Sich erinnern, welches Privileg sein Job bedeutet. Und dankbar sein für die Erfahrungen. „Was an einem Tag im Club passiert, passiert nicht in einer Woche in Deutschland. Ich könnte mehrere Bücher füllen.“

Seine Faustformel, vom Trubel nicht überrollt zu werden: Grenzen setzen und den Bezug zur Realität nicht verlieren. Er schaut täglich Nachrichten, liest nach, was in der Welt passiert. „Nicht, dass wir in Deutschland einen neuen Bundeskanzler bekommen und ich in unserer Clubhotel-Bubble davon nichts mitbekomme“, sagt er lachend, aber ernst gemeint.

BertiShowtime! (Foto: Tobias Berthold)

Verkatert ins Morgen-Meeting

Denn er weiß: Das Clubleben ist ein Paralleluniversum. Ein schöner Ort, aber auch einer, in dem man leicht den Bezug zur Welt draußen verlieren kann. Berti kämpft aktiv dagegen an. Nicht, weil er das Leben im Club nicht liebt. Sondern gerade, weil er es liebt. „Ich möchte nicht beobachten, wie die ständige Partyatmosphäre zum Placebo-Glücksgefühl wird.“

Besonders zu schätzen weiß Berti das Unvorhergesehene, das Spontane. „Dann findet die Party bis fünf Uhr morgens eben auf einem Dienstag statt, völlig ungeplant. Alle sitzen dann verkatert im Morgen-Meeting. Das würde es am normalen Arbeitsplatz nicht geben.“

Vier Jahre hat er zwischendurch „probiert“ in Deutschland zu leben und zu arbeiten. „Es hat mir einfach nicht getaugt. Mir hat die Abwechslung des Clubs gefehlt.“

Aber nicht jeder Tag ist eine Poolparty. Nicht jeder Abend ist glitzernd. Und nicht jeder Gast ist gut gelaunt. Berti weiß das. Und er lebt mit dieser Ambivalenz. „Manche Menschen verlieren sich hier in einer Art Dauer-Urlaubsillusion. Ich will das nicht. Ich will wissen, was draußen passiert. Ich will meine Werte behalten, demütig bleiben. Und ich will, dass meine Mitarbeitenden wissen, dass sie Teil von etwas Sinnvollem sind.“

Wenn Kollegen zur Familie werden

Chris, Marion und Berti zeigen drei sehr unterschiedliche Perspektiven auf das Leben in der Clubhotellerie. Zwischen Erfüllung und Erschöpfung, zwischen Gemeinschaft und Grenzerfahrung zeigt sich: Es ist kein gewöhnlicher Job. Aber für manche ist es genau das richtige Leben. Im Ausnahmezustand, ja. Aber auch ein Leben voller Begegnungen, Überraschungen und Zugehörigkeit. Man lebt und arbeitet in Teams, die schnell zu einer Art Ersatzfamilie werden. Es gibt wenig Platz für Rückzug, dafür viel Raum für Gemeinschaft und Geschichten, die für immer Geheimnis des Clubgeländes bleiben.


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