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Warum wir lernen müssen, uns wieder etwas zu wünschen

Wir, die Generation um die zwanzig, träumen nicht mehr. Warum eigentlich nicht? Und warum könnte die Welt gerade deshalb zu der werden, die als düstere Vision über unserem Leben schwebt?
Valentina Kuen  •  8. Juli 2025 Volontärin    Sterne  44
Träumen gehört gelernt, sonst wird das mit der Rettung der Welt nichts mehr, meint unsere Redakteurin Valentina Kuhn. (Foto: Shutterstock)
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Jedes Jahr finden wir uns in der gleichen Situation wieder. Wir stehen vor einer Geburtstagstorte, die Kerzen werden jedes Jahr mehr. Freunde und Verwandte stehen um uns herum und schauen uns erwartungsvoll an. Sie fragen sich alle, was wir uns wohl wünschen, wenn wir die Kerzen ausblasen.

Vielen jungen Erwachsenen fällt bei genau dieser Frage oft nichts ein. Sie zögern, es entsteht der Eindruck, junge Menschen hätten heute keine echten Wünsche mehr. Dabei stehen sie gerade am Beginn ihres selbstbestimmten Lebens, haben unzählige Möglichkeiten vor sich, könnten sich alle Wünsche erfüllen.

Wie war das früher?

Unsere Großeltern träumten von einem friedlichen Leben mit Haus und Familie. Nach den Erfahrungen des Krieges wollten sie vor allem Sicherheit und Ruhe. Unsere Eltern wollten sich vor allem von gesellschaftlichen Zwängen befreien, gegen die ältere Generation rebellieren. Die Sicherheit war plötzlich einengend. Und wir? Wir sind vielleicht die erste Generation, der alles offensteht und die sich gleichzeitig ständig fragen muss, ob es das überhaupt noch lange geben wird.

Eigentlich wären die Zwanziger die ideale Zeit zum Träumen. Ausbildung oder Studium sind (fast) geschafft, der Einstieg ins Berufsleben steht bevor, die Gestaltungsmöglichkeiten sind so offen wie nie zuvor. Und trotzdem bleiben viele still, wenn es um Zukunftsträume geht.

Die letzte Generation

Es ist unglaublich schwierig, in einer derart instabilen Welt von der Zukunft zu träumen. Eine glückliche Familie, ein eigenes Haus und das perfekte Leben wirken ziemlich unrealistisch, wenn täglich ein neuer Konflikt oder eine neue Katastrophe im Instagram-Feed auftauchen. Wir sind in einer Welt aufgewachsen, in der Kinder als erstes das Wort „Klimawandel“ lernen. Uns wurde die Verantwortung für die Zukunft der Menschheit in den Schoß gelegt. „Ihr seid die letzte Generation, die etwas tun kann“, hat sicherlich jeder junge Mensch schon mal gehört.

Zudem (oder gerade deshalb) werden psychische Erkrankungen wie Angststörungen und Depressionen bei jungen Leuten immer häufiger. Wenn der Kopf voller Angst ist, bleibt oft gar kein Platz für Wünsche. Vielen geht es eher darum, den nächsten Tag zu überleben. Wenn der Alltag selbst schon zu einer Belastungsprobe wird, ist es schwierig, zu träumen. Können wir – oder wollen wir – unter solchen Umständen überhaupt noch darüber nachdenken, wo wir in 20 Jahren sein werden?

Alles zu schnell

Vielleicht bleibt in unserer schnellen Gesellschaft aber auch einfach keine Zeit zum Träumen. Ständig werden wir beschallt, scrollen von einem Instagram-Reel zum nächsten. Zwischen Arbeit und Ausbildung sollen wir noch ein möglichst gutes Sozialleben haben. Ein hektischer Alltag lenkt von der ungewissen Zukunft ab, die unerfüllbaren Träume werden zur Seite gedrängt. Angst und Trauer sollen möglichst wenig Platz einnehmen.

Aber auch in dieser Welt, die kaum Raum fürs Träumen lässt, entstehen manchmal Wünsche. Oft sind sie leise, beinahe unbemerkt, irgendwo im Unterbewusstsein. Viele junge Menschen haben durchaus Träume, aber erzählen sie niemanden. Aus Sorge, sie könnten auf andere zu oberflächlich, zu langweilig oder nicht ehrgeizig genug wirken. Zu anspruchsvoll, zu unerreichbar, zu riskant. Außerdem bleibt immer die Angst vor dem Versagen. Wer seinen Traum nicht ausspricht, wird am Ende nicht enttäuscht, wenn er scheitert.

Wie endet das alles?

Wenn eine ganze Generation, noch dazu eine, auf die es ankommt, nicht mehr träumt, fehlt es auch an Gegenentwürfen zu einer Welt der Kriege und der Umweltzerstörung. Denn auch die Welt, in der wir als Gesellschaft leben wollen, müssen wir uns zunächst als Individuen erträumen, damit sie Wirklichkeit werden kann. Wenn wir aufhören zu träumen, uns etwas zu wünschen, überlassen wir die Dinge den destruktiven Kräften und machen uns selbst zu ihren Opfern.

Vielleicht müssten wir also alle einfach mal innehalten. In die Natur gehen und darüber nachdenken, was wir eigentlich wollen. Nach den Wünschen suchen, die irgendwo in unserem Innersten schlummern. Damit uns das nächste Mal direkt etwas einfällt, wenn wir die Kerzen auf der Geburtstagstorte ausblasen. 

Dieser Beitrag entstand im Rahmen des Projektes „Die Paris-Lodron-Universität Salzburg macht Journalismus“.
Es ist ermöglicht mit freundlicher Unterstützung durch dm drogerie markt und Salzburg AG.

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