Es gibt Dinge, die klingen im ersten Moment wie ein schlechter Witz und bleiben es im zweiten auch. Donald Trump als möglicher Friedensnobelpreisträger ist so ein Fall. Seit kurzem ist es offiziell: Israels Premierminister Benjamin Netanjahu hat den ehemaligen US-Präsidenten für den prestigeträchtigsten Preis nominiert, den die Welt für friedliche Absichten zu vergeben hat. Eine Nachricht, die, je nach politischer Veranlagung, entweder für Gelächter, Schnappatmung oder stumpfe Resignation sorgt.
Doch bevor Memes, Polymarket-Wetten oder Endzeitphantasien die Oberhand gewinnen: Die Nominierung Trumps ist nicht ganz so spektakulär, wie sie klingt und der Friedensnobelpreis selbst nicht ganz so heilig, wie oft behauptet. Zeit also für einen Blick auf die Abläufe, Hintergründe und Eventualitäten.
Die verbreitete Annahme ist, das Komitee verleihe den Friedensnobelpreis nur an Menschen, die jahrzehntelang gegen Unterdrückung kämpfen, idealerweise musikalisch untermalt auf einer UN-Konferenz. Tatsächlich beginnt alles viel banaler. Jeder, der einen entsprechenden akademischen Titel, ein Parlamentsmandat oder eine Nobelpreis-Vergangenheit vorweisen kann, darf nominieren. Ein Soziologieprofessor aus Uppsala, ein Abgeordneter aus Nepal, oder eben der israelische Ministerpräsident Benjamin Netanjahu.
Die Frist endet jeweils am 31. Januar. Danach zieht sich das Nobelkomitee in Oslo zurück. Es besteht aus fünf Personen, die vom norwegischen Parlament bestimmt wurden, und beginnt damit, Kandidaten zu sichten, zu streichen oder in die engere Wahl zu nehmen. Die Entscheidung fällt im Oktober, das Preisgeld gibt es dann feierlich am 10. Dezember, dem Todestag Alfred Nobels. Dessen Testament sieht vor, dass der Preis an Menschen oder Organisationen geht, die „am meisten zur Förderung des Friedens unter den Nationen beigetragen haben“. Also nicht: Wer am wenigsten Tweets verschickt hat. Oder am seltensten ein Mikrofon angeschrien.
Dass ausgerechnet Norwegen den Friedensnobelpreis vergibt, während Schweden alle anderen Nobelpreise verleiht, liegt übrigens an einer persönlichen Laune Nobels, die bis heute nicht eindeutig nachvollziehbar bleibt. Heute tätigt Norwegen Rüstungsgeschäfte, fördert Öl und hat eine NATO-Grenze zu Russland. Es sei der Geschichte verziehen. Die Ironie bleibt.
Netanjahu hat eine erstaunlich einfache Begründung für seine Nominierung: Trump habe durch die sogenannten Abraham Accords Friedensprozesse im Nahen Osten angestoßen, Israel diplomatisch mit mehreren arabischen Staaten zusammengeführt und jüngst durch seine Unterstützung gegen Iran „den Lauf der Geschichte verändert“. Gemeint sind die gemeinsamen Angriffe auf iranische Nuklearanlagen, die, je nach Standpunkt, entweder kriegsvermeidend oder brandbeschleunigend wirkten.
Tatsächlich hat Trump 2020 schon einmal eine Nominierung erhalten, von einem norwegischen Abgeordneten. Auch dieses Mal ist die Nominierung formal korrekt, aber politisch aufgeladen. Netanjahu präsentiert sie öffentlichkeitswirksam bei einem Dinner, Trump lächelt staatsmännisch, während Hintergrundgespräche über Waffenruhen im Gazastreifen laufen. Ein Friedensprozess mit PR- Beratung zum Dessert.
Der Vorschlag wurde offiziell eingereicht, womit Trump nun tatsächlich auf der Liste steht. Das tut übrigens auch eine dreistellige Zahl anderer Personen. Darunter Aktivisten, Organisationen, Dissidenten und diverse Menschen, deren Namen nie öffentlich werden. Die Nominierung bedeutet weder Zustimmung noch Empfehlung, sie ist lediglich eine Einreichung.
Kandidaten ins Rennen zu schicken, die eher Bomben werfen als Friedensabkommen unterzeichnen, ist längst kein Novum mehr. Der Friedensnobelpreis hat eine bewegte Geschichte. Kritik gibt es ohnehin immer: mal belohnt das Komitee den Frieden im Voraus, wie bei Obama 2009, mal übersieht es ihn komplett, obwohl er längst eingetreten ist, wie im Fall von Gandhi, der nie ausgezeichnet wurde, obwohl seine Rolle als Friedensikone unbestritten ist.
Historisch pflegen Norwegen und die USA eine enge Verbindung. Seit Trumps Rückkehr auf die politische Bühne schwankt das bilaterale Verhältnis zwischen NATO-Kameradschaft und Zollkrise. Ob der Friedensnobelpreis in Oslo wirklich zur transatlantischen Putzkolonne taugt, ist zweifelhaft. Doch die aktuelle Lage ist einen Blick wert.
Trump wirft dem norwegischen Nobelkomitee „politische Voreingenommenheit“ vor, klagt öffentlich, ihm werde der Preis „vorenthalten“ und musste jüngst sogar eine virale Falschmeldung dementieren, er werde Norwegen bombardieren, falls er leer ausgehe. Auch seine berüchtigte Präferenz für Einwanderer „aus Norwegen statt aus Shithole Countries“ hängt in Oslo noch immer als schrilles Souvenir in den Ohren.
Summa summarum: Die diplomatische Stimmung ist launisch, aber das Nobelkomitee ist formell unabhängig vom norwegischen Außenministerium. Dass es die Ehrung als freundliche Geste Richtung Washington nutzen würde, gilt in Osloer Politkreisen als unwahrscheinlich.
Rein hypothetisch? Ja. Praktisch? Eher unwahrscheinlich. Es sei denn, er liefert in den kommenden Monaten ein diplomatisches Meisterwerk ab. Etwa einen dauerhaften Waffenstillstand im Nahen Osten, verbunden mit echten Schritten zu einer Zwei-Staaten-Lösung und der Deeskalation gegenüber dem Iran. Und zwar nicht per Tweet, sondern schriftlich, bindend und verifizierbar.
Aktuell sehen Buchmacher Trumps Chancen bei etwa 10 bis 20 Prozent. Er ist ein „favorisierter Außenseiter“, wie ein Pferd im Rennen, das eigentlich nur eingeladen ist, weil es den Stall selbst gebaut hat. Das Nobelkomitee gilt als konservativ, sowohl im politischen als auch im moralischen Sinn. Es hat zuletzt lieber NGOs und Journalisten ausgezeichnet als nationale Führungspersonen mit fragwürdiger Bilanz.
Die Nominierung Trumps ist damit weniger Ausdruck einer friedlichen Weltlage als vielmehr ein Zeichen der Zeit: Frieden ist 2025 nicht das Ende des Krieges, sondern das kleinste gemeinsame diplomatische Viereck, auf dem sich die Beteiligten kurz mal nicht beschießen.
Was Netanjahu macht, ist politisches Marketing. Was Trump daraus macht, ist noch offen. Und was das Komitee daraus macht, bleibt Norwegens Geheimnis, wie jedes Jahr.
Die Welt ist kompliziert, der Friedensnobelpreis auch. Donald Trump bekommt ihn wahrscheinlich nicht. Aber dass das überhaupt zu Debatte steht, sagt vielleicht mehr über unsere Gegenwart aus als über ihn.
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