Sandra ist 16, als sie beschließt, sich Hilfe zu holen. Ihre Mutter steht der Idee einer Psychotherapie ablehnend gegenüber. Trotzdem meldet sich Sandra bei Gesund aus der Krise an. Nur durch dieses staatlich finanzierte Projekt bekommt sie Zugang zu professioneller Unterstützung. Unkompliziert und unbürokratisch. Heute weiß sie, dass sie an einer Essstörung leidet. Ohne das Projekt hätte Sandra keine Therapie beginnen können.
Die Nachfrage nach Gesund aus der Krise ist groß. Und doch entstehen kaum Wartezeiten, weil das Online-Portal nur tatsächlich verfügbare Plätze anzeigt. So erhalten Jugendliche schnell und unkompliziert Unterstützung.
Die Gründe für eine Anmeldung sind vielfältig: Häufig geht es um Depressionen, Angststörungen, Panikattacken, schulische Überforderung, sozialen Rückzug oder Essstörungen. Auch intensive Smartphone-Nutzung und eine starke Bindung an digitale Medien spielen eine Rolle, besonders bei Burschen.
Ein großer Vorteil: Für die Teilnahme ist keine formale Diagnose nötig. Das senkt die Hemmschwelle, besonders für Familien, in denen psychische Erkrankungen tabuisiert sind. Gleichzeitig können Jugendliche rechtzeitig Hilfe erhalten, bevor Symptome chronisch werden.
Frühzeitige Therapie stabilisiert den Alltag, stärkt die Chancen in Schule und Ausbildung und entlastet langfristig das Sozialsystem. „Eine gute Investition“, betont Psychotherapeutin Irene Bittner, die auch Sandra betreut.
Entstanden ist Gesund aus der Krise als Reaktion auf die psychischen Folgen der Corona-Pandemie. Die Isolation, der Schulstress und die allgemeinen Unsicherheiten haben bei vielen jungen Menschen deutliche Spuren hinterlassen. Um diesen steigenden Bedarf zu decken, entstand das Projekt.
Heute ermöglicht es Kindern und Jugendlichen bis zum 21. Lebensjahr kostenlosen Zugang zu psychotherapeutischen, klinisch-psychologischen, gesundheitspsychologischen und musiktherapeutischen Behandlungen. Unkompliziert und ohne lange Wartezeiten.
Aktuell läuft die dritte Phase des Projekts, die ursprünglich bis Mitte 2025 befristet war. Aufgrund des großen Erfolgs und der anhaltend hohen Nachfrage hat die Bundesregierung nun beschlossen, das Projekt bis 2026 zu verlängern.
Zwischen April 2022 und Juni 2025 standen insgesamt 54,7 Millionen Euro zur Verfügung. Im Jahr 2025 wird das Projekt um zusätzliche 16 Millionen Euro aufgestockt, für 2026 sind weitere 21 Millionen geplant. Möglich wird diese Ausweitung unter anderem, weil pandemiebedingte Sonderausgaben wegfallen und damit finanzielle Spielräume für nachhaltige Gesundheitsprojekte entstehen.
Für 2026 ist zudem ein deutlicher Anstieg des allgemeinen Gesundheitsbudgets um 376,5 Millionen Euro vorgesehen. Teil dieser Aufstockung ist ein neu geschaffener Gesundheitsreformfonds in Höhe von 500 Millionen Euro, der auch psychosoziale Versorgungsstrukturen wie Gesund aus der Krise langfristig absichern soll.
Der Berufsverband Österreichischer Psychologinnen und Psychologen (BÖP) setzt das Projekt gemeinsam mit dem Österreichischen Bundesverband für Psychotherapie (ÖBVP) um. Über 1.600 Behandlerinnen und Behandler stehen österreichweit zur Verfügung und bieten Unterstützung in insgesamt 25 Sprachen an.
Bislang haben bereits mehr als 43.000 junge Menschen Unterstützung durch das Projekt erhalten. Eine wissenschaftliche Evaluierung der Universität Innsbruck bestätigt den großen Erfolg: 95 Prozent der Klientinnen und Klienten erzielten Fortschritte, bei 55 Prozent waren diese als gut bis sehr gut eingestuft.
Die Anmeldung erfolgt über ein Online-Portal. Jugendliche wählen ihre Region aus und erhalten einen Therapeuten in Wohnortnähe zugewiesen. Direkt im Anschluss vereinbaren die Beteiligten ein Erstgespräch und unterschreiben die Datenschutzerklärung. Dann startet die Therapie. Die erste Phase umfasst 15 Einheiten. Nach der zehnten Stunde kann eine Verlängerung um weitere fünf Stunden beantragt werden.
Nach jeder Sitzung bestätigen die Jugendlichen per E-Mail ihre Teilnahme. Für die Behandlungen erhalten Therapeuten 105 Euro pro Stunde, finanziert vom Staat.
Der einzige Nachteil an Gesund aus der Krise: Jugendliche können sich ihren Therapeuten nicht selbst aussuchen. Allerdings sind ausschließlich ausgebildete Kinder- und Jugendpsychotherapeuten am Projekt beteiligt. Des Weiteren wird in besonders sensiblen Situationen, wie dem Grazer Schoolshooting, rasch reagiert und flexibel gehandelt. Alle betroffenen Jugendlichen, die Hilfe brauchten, erhielten einen Therapieplatz. In diesen Fällen war auch eine freie Wahl der Betreuungsperson möglich.
In den vergangenen Jahren hat sich das psychische Belastungsbild spürbar verändert, sagt Irene Bittner. Sie beobachtet eine starke Zunahme an Selbstdiagnosen, oft ausgelöst durch Inhalte aus dem Internet. Begriffe wie ADHS, Autismus oder Borderline kursieren unter Jugendlichen wie Trendbegriffe. Viele verbringen mehrere Stunden täglich am Smartphone. Eltern setzen kaum Grenzen. Die Folge sind verzerrte Selbstbilder, Konzentrationsprobleme und eine wachsende Unsicherheit in der eigenen Identität.
Besonders wichtig ist, dass Gesund aus der Krise gezielt jenen zugutekommt, die es wirklich brauchen. Das Projekt soll niedrigschwellig bleiben, ohne an therapeutischer Qualität oder Zielgenauigkeit zu verlieren.
Für Sandra hat Gesund aus der Krise eine Perspektive geschaffen, die ohne diese staatliche Hilfe verschlossen geblieben wäre. Ihre Therapeutin vermittelte ihr später einen vollfinanzierten Kassenplatz. Schritt für Schritt lernte sie, ihre Essstörung zu bewältigen.
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06 August 2025