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Leben nach dem Öl: Saudis wollen den KI-Weltmarkt anführen

Bisher gilt Saudi-Arabien als weltweit größter Nettoexporteur von Rohöl. KI soll nun zum zweiten wirtschaftlichen Standbein werden: Das Königreich plant, Weltmarkführer für Künstliche Intelligenz zu werden. Dafür investiert die Regierung rund hundert Milliarden US-Dollar.
Lisa-Marie Rolly  •  26. August 2025 Volontärin    Sterne  94
KI gesteuerte Verkehrsleitsysteme: Auch bei Mobilität setzt Saudi-Arabien auf Digitalisierung. (Foto: HAZEM BADER / AFP / picturedesk.com)
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Saudi-Arabien verfügt über 17 Prozent der weltweit nachgewiesenen Ölreserven. Obwohl die Prognose der deutschen Bundesanstalt für Geowissenschaften und Rohstoffe (BGR) zeigt, dass das Erdöl für weitere fünfzig Jahre ausreichen würde, sucht das Land seit 2019 nach einer wirtschaftlichen Alternative.

Der Grund dafür sind allerdings nicht die Umweltziele, die sich das Königreich für 2030 setzt (bis dahin plant die Nation die Hälfte ihrer Energie nachhaltig zu produzieren, um bis 2060 Emissionsneutralität zu erreichen), sondern die Risiken, die mit der schwankenden Ölindustrie einhergehen. So spricht die Weltbank davon, dass 55 Prozent der saudischen Staatseinnahmen vom Öl- und Gaspreis abhängen. Die Industrie machte im vergangenen Jahr 22,3 Prozent des BIP aus.

Vision 2030: Das neue Saudi-Arabien

Das Ziel ist klar: Saudi-Arabien als weltweit führender KI-Hub. Der Plan sieht dafür zwei Schritte vor.

„In der ersten Phase bis 2025 konzentriert sich die Regierung auf die Entwicklung von Daten- und KI-Programmen. Im zweiten Schritt, von 2025 bis 2030, zielt Saudi-Arabien darauf ab, Spezialisierungen in bestimmten Bereichen der KI zu entwickeln, um bis 2030 eine der führenden KI- und datengetriebenen Volkswirtschaften zu werden“, so die Arabisch-Deutsche Kammer für Handel und Industrie.

Neben der Wirtschaft werden auch andere Bereiche von Künstlicher Intelligenz profitieren: Laut einem Bericht des sogenannten Global AI Summit 2024, dem bedeutendsten Gipfel zum Thema Künstliche Intelligenz, wird sie auch die Lebensqualität der Saudis verbessern. Sie ist der Antrieb für modernisierte öffentliche Dienstleistungen und „führt das Land in eine technisierte und datenbasierte Zukunft“, heißt es dort.

Die Metropole Medina liegt im westlichen Saudi-Arabien. (Foto: pexels)

Das Projekt umfasst alle Bereiche des täglichen Lebens: Bildung, Energie, Regierung, Mobilität, Infrastruktur und das Gesundheitswesen.

Zukunftslabor Saudi-Arabien

KI im Gesundheitswesen gilt als besonders vielversprechend. Wie die Anwendung in Saudi-Arabien aussehen könnte, erklärt Stefan Woltran, Vorsitzender von CAIML, dem Zentrum für Künstliche Intelligenz und maschinellem Lernen der TU Wien: „Das Potenzial reicht von der Unterstützung bei der Arzt-Patienten-Interaktion bis zur klassischen medizinischen Anwendung“. Sehr gute Ergebnisse erzielen die KI-Systeme auch im Bereich der Robotik bei chirurgischen Eingriffen. „Besonders vielversprechend erscheint mir KI auch in der personalisierten Medizin, da hier eine Vielzahl von Daten berücksichtig werden muss“, so Woltran.

Robotik kommt in der Medizin bereits in unterschiedlichsten Formen zum Einsatz. (Foto: picturedesk)

Insgesamt unterstützt die saudische Regierung 300 KI-Start-ups. Bis 2030 wirbt das Königreich zwanzig Tausend KI- und Daten-Spezialisten an. Auch an den Universitäten findet die KI-Förderung statt: 86 Prozent der Fakultäten bieten Bachelorstudiengänge mit KI-Bezug an.

„Das Verständnis der Bevölkerung ist entscheidend, wenn es um die Integration von KI in der breiten Masse geht“, heißt es im Global AI Summit-Bericht. So hält KI bereits durch Wettbewerbe und Workshops früh Einzug in die Klassenzimmer.

KI trifft Nerv der Nation

Der saudische KI-Optimismus ist groß. Eine aktuelle Umfrage des Saudi Center for Public Opinion Polling zeigt, dass bereits 49 Prozent der saudi-arabischen Bevölkerung KI-Technologien nutzen. In Österreich sind es bereits 73 Prozent.

49 Prozent nutzt KI-Technologien in Saudi Arabien. In Österreich sind es bereits 73 Prozent. (Foto: pexels)

94 Prozent der saudischen Nutzer sehen positive Auswirkungen von KI auf ihr Leben und das, obwohl die Weltbank prognostiziert, dass KI in Saudi-Arabien rund 21 Prozent der Arbeitsplätze ersetzen könnte.

Die Arabisch-Deutsche Kammer für Handel und Industrie (GHORFA) erklärt das nach campus a-Anfrage so: „Die Schaffung von Arbeitsplätzen in Saudi-Arabien hat höchste Priorität. Man kann davon ausgehen, dass in seiner Gesamtheit durch die Einführung und Nutzung von Künstlicher Intelligenz letztlich mehr Arbeitsplätze geschaffen werden, als gegebenenfalls durch KI ersetzt werden.“ Zudem ist Saudi-Arabien ein sehr junges Land. Nur drei Prozent der Bevölkerung sind über 65 Jahre alt, siebzig Prozent sind jünger als 35. Daher besteht ein großes Interesse und Bereitschaft den Weg neuer Technologien zu gehen“, heißt es von GHORFA.

Allianzen mit Tech-Giganten

Ambitionen, Fähigkeiten, Partnerschaften, Investitionen, Regulierung, Ökosystem. Jedes dieser sechs Wörter steht für ein saudisches KI-Ziel. Investitionen und Partnerschaften sollen dabei auch im Privatsektor stattfinden.

Nach Angaben des European Center for Digital Competitiveness gilt Saudi-Arabien als KI-Vorreiter der G20-Staaten. Auch internationale Unternehmen sind darauf aufmerksam geworden: Firmen wie Microsoft, Tesla, Google, Huawei und Nvidia konkurrieren um Marktanteile. Auf diese Weise verschaffen sich die Konzerne Zugang zum Land, nutzen günstigere Energiepreise, profitieren von schnelleren Genehmigungsprozessen und binden sich enger an lokale Rechenzentren.

Die Kooperation mit global führenden Unternehmen in diesem Bereich ist Ziel der wirtschaftlichen Entwicklung. (Foto: pexels)

Dass es so zu einer Monopolisierung in einzelnen Branchen kommen könnte, darin sieht Wolf R. Schwippert, Mitglied des Präsidiums der GHORFA, kein Problem: „Die Nutzung von Privatwirtschaft gehört zum Merkmal der saudi-arabischen Gesellschaft. Die Kooperation mit global führenden Unternehmen in diesem Bereich ist Ziel der wirtschaftlichen Entwicklung“.

Moralisch programmiert, aber für wen?

Für die Regulierung hat die zuständige Regierungsbehörde eigene KI-Ethikprinzipien erstellt, die sogenannten AI Ethics Principles 2.0. Sie sind an lokale, kulturelle und religiöse Werte angepasst und betonen die Einhaltung der Scharia-Lehre.

Auf dieser Grundlage baute die saudi-arabische Firma QSS 2023 „Sara“, den ersten saudischen humanoiden Roboter. Er ist geschlechterspezifisch an die Scharia angepasst, trägt Hijab und Abaya und ist so programmiert, dass er keine Gespräche über Sex und Politik führt.

Ähnlich wie in der EU hat auch Saudi-Arabien ein System zur Bewertung von Risiken bei KI-Anwendungen entwickelt. Allerdings warnen Menschenrechtsorganisationen vor vorhandenen Schlupflöchern: Die Regierung könnte die gesammelten Daten zur Verfolgung und Überwachung von Aktivisten missbrauchen.  

„Das Gesetz zum Schutz persönlicher Daten entspricht internationalen Standards“, heißt es aus der Arabisch-Deutschen Kammer für Handel und Industrie. Gleichzeitig gibt es noch keine international verbindlichen Standards. „Die europäische Datenschutzgrundverordnung ist ein in der EU geltender Standard, der als Vorbild dienen kann. Sie ersetzt aber nicht die Gestaltung eines eigenen rechtlichen Rahmens in Saudi-Arabien“, heißt es weiter.

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