Ein lauer Sommerabend mit Freunden auf einer Terrasse. Die anwesende Zahnärztin Katrin Bühler-Traxlmayr unterbricht mit ihren Worten das Gelächter abrupt über eine Pointe. Es ging um Zahnbürsten. „Ich schätze, dass 25 Prozent der Bevölkerung ihre Zähne nicht oder nur sehr selten putzt“, sagt sie. Bei Umfragen seien es nur wenige Prozent, sagt sie, aber wen wundere das schon. Niemand gäbe leichthin zu, seine Zähne nicht zu putzen. Die Anwesenden verzerren angewidert das Gesicht.
War das nur ein Partykracher oder stimmt das? Sind die Österreicher wirklich Zahnputzmuffel? Wir haben nachgefragt bei Michael Malek, Vorstand der Klinik für Mund-, Kiefer- und Gesichtschirurgie des Kepler Universitätsklinikums in Linz. Er bestätigt den Befund jenes launigen Abends. „25 Prozent der Patienten haben eine schlechte Mundhygiene“, sagt der Mediziner. Sie putzen ihre Zähne also kaum oder gar nicht, wobei Zahnärzte eine klare Definition von schlechter Mundhygiene haben. Sie erfassen sie systematisch, etwa mit dem sogenannten Parodontalen Screening-Index. Damit dokumentieren sie den Zustand des Zahnfleisches und des Zahnhalteapparats sowie Zahnfleischbluten, Beläge und Zahnstein.
Auch Juliana Marotti-Großhausen, Leiterin der Klinischen Abteilung für Zahnerhaltung, Parodontologie und Zahnersatzkunde an der Universitätsklinik für Zahnmedizin Graz bestätigt, dass zwar die überwiegende Mehrheit regelmäßig die Zähne putzt, aber dennoch in einem relevanten Teil der Bevölkerung erhebliche Defizite in Häufigkeit und Technik bestehen. „Dass ein Viertel der Patientinnen und Patienten ihre Zähne unzureichend pflegt, ist daher plausibel und deckt sich mit den Beobachtungen in der Praxis,“ sagt sie. Regelmäßig berichten Zahnärzte, dass ihre Patienten nicht ehrlich über ihre Gewohnheiten bei der Mundhygiene sprechen, sei es aus Scham oder aus Unwissenheit, erklärt Marotti-Großhausen.
Eine Erhebung des Zahnpastaherstellers Elmex zeichnet ein positiveres Bild. Lediglich vier Prozent der Österreicher würden demnach ihre Zähne gar nicht oder nur schlecht putzen. 68 Prozent der Österreicher putzen sie laut der Erhebung zwei Mal am Tag, 25 Prozent immerhin einmal. Die Hälfte aller Österreicher gibt zu, das Zähneputzen abends schon einmal aus Müdigkeit ausgelassen zu haben.
Insgesamt sind Frauen beim Zähneputzen genauer, sie verwenden öfter Zahnseide und gehen regelmäßiger zum Zahnarzt gehen als Männer. 33 Prozent der Frauen nutzen Zahnseide, während nur 18 Prozent der Männer dies tun.
Jüngere sind deutlich nachlässiger als ältere Menschen. Unter Dreißigjährige gaben öfter zu, nicht die Zähne zu putzen, wenn sie zu müde waren, nicht daran dachten oder unter Zeitdruck standen.
Die Mehrheit der Befragten geht einmal pro Jahr zur Vorsorgeuntersuchung zum Zahnarzt. Auch hier sind Frauen gewissenhafter als Männer. 21 Prozent der Befragten gehen nur selten oder erst bei akuten Zahnproblemen zum Arzt.
Laut einer österreichweiten Umfrage von CP GABA, einem Anbieter für Mundpflegeprodukten wie Colgate, gemeinsam mit der österreichischen Zahnärztekammer und der Österreichischen Gesellschaft für Parodontologie 2022 putzen 83 Prozent mindestens zweimal täglich die Zähne. Auch hier zeigt sich derselbe geschlechterspezifische Unterschied.
Laut Zahnmediziner Malek gibt es in Bezug auf schlechte Mundhygiene merkbare Unterschiede nach sozialen Schichten. „Je nach Wohngegend und auch abhängig davon, ob jemand Privat- oder Kassenpatient ist, unterscheidet sich die Qualität der Mundhygiene spürbar.“ Beim Schmerzdienst der Kepler Universität, also bei Patienten mit nächtliche Zahnnotfällen, sei die Mundhygiene „durch die Bank sehr schlecht“.
Ganz anders sehe das beim Klientel aus, das Malek kieferorthopädisch behandelt. Patienten, bei denen er Umstellungsoperationen am Ober- und Unterkiefer durchführt, hätten eine äußerst gute Mundhygiene. „Gute Mundhygiene hängt auch nicht von der Frequenz des Zähneputzens ab“, so der Fachmann, „Manche putzen fünfmal am Tag Zähne, aber nicht richtig.“ Umgekehrt gäbe es auch Menschen, die nur alle zwei Tage Zähne putzen, dafür aber mit höchster Qualität und Präzision, deswegen sei das im Prinzip auch ausreichend.
Menschen mit geringerer elterlicher Bildung oder Migrationshintergrund sind laut Zahnärztin Juliana Marotti-Großhausen häufiger von Karies betroffen. Studien belegen außerdem regionale Unterschiede zwischen den Bundesländern.
“Gute Mundhygiene hängt auch nicht von der Frequenz des Zähneputzens ab“, so Zahnarzt Michael Malek. (Foto: cottonbrostudio/Pexels)
Zähneputzen entfernt Beläge und Bakterien, die sich nach jedem Essen im Mund bilden. Wer darauf verzichtet, riskiert Karies, Zahnfleischentzündungen und im schlimmsten Fall sogar Zahnverlust. Außerdem steigt das Risiko für Parodontitis, eine Erkrankung, die nicht nur Zähne und Kieferknochen angreift, sondern auch Herz-Kreislauf-Erkrankungen begünstigen kann. Die Krankheit steht auch im Verdacht mitunter Ursache für Alzheimer zu sein.
Eine konsequente Mundhygiene ist nicht nur für die Gesundheit wichtig, sondern auch für das Geldbörsel. Schon bei Routinebehandlungen wie einer professionellen Zahnreinigung müssen Patienten in Österreich schon tiefer in die Tasche greifen. Je nach Zustand der Zähne liegen die Kosten zwischen 50 und 270 Euro und sind in den meisten Fällen privat zu zahlen.
Diagnostiziert der Zahnarzt eine Parodontitis, können die Ausgaben deutlich höher ausfallen. Für entsprechende Behandlungen sind schnell mehrere hundert Euro fällig. Bei Wurzelbehandlungen bewegen sich die Kosten je nach Aufwand zwischen 200 und 1.000 Euro.
Richtig teuer wird es allerdings beim Zahnersatz. Für ein Zahnimplantat müssen Betroffene oft mehrere tausend Euro einplanen. Zwar leisten Krankenkassen in bestimmten Fällen Zuschüsse, doch in der Regel übernehmen sie nur einen Bruchteil der tatsächlichen Kosten. Mindestens zwei Mal täglich gründlich zwei bis drei Minuten zu putzen und regelmäßig Zahnseide zu verwenden, zahlt sich also definitiv aus.
Verfasse auch du einen Beitrag auf campus a.