„Großartige Nachrichten für Amerika: Die quotenschwache Jimmy Kimmel Show wurde ABGESETZT“, postete US-Präsident Trump auf seinem eigenen Netzwerk Truth Social, nachdem der Sender ABC die Late-Night-Talkshow Jimmy Kimmel Live! auf unbestimmte Zeit ausgesetzt hatte. In der Kritik standen Äußerungen Kimmels in der am Montagabend ausgestrahlten Show, in denen er sich zum Attentäter Charlie Kirk äußerte: „Die MAGA-Clique versuchte verzweifelt, den Jungen, der Charlie Kirk ermordet hat, als etwas anderes darzustellen als einen von ihnen.“ Knapp zwei Tage später, am Mittwoch-Nachmittag, folgte die Absetzung der Show, nachdem Unternehmen und eine von Trump kontrollierte Behörde Kritik geäußert hatten.
Erst im Juli war mit Stephen Colbert ein Late-Night-Kollege von Jimmy Kimmel abgesetzt worden. Der Sender CBS erklärte, dass das Ende der Show im Mai 2026 auf finanzielle Gründe zurückzuführen sei. Gleichzeitig bemühte sich der Konzern Paramount, dem CBS gehört, um die Zustimmung der US-Regierung zu einem Eigentümerwechsel. Zudem hatte Trump CBS verklagt, weil der Sender angeblich ein Interview mit Kamala Harris zu deren Gunsten manipuliert haben soll. Paramount stimmte, sehr zur Überraschung der Medienexperten, die das Verfahren zugunsten des Konzerns bewertet hatten, einem Vergleich in Höhe von 16 Millionen Dollar zu, um die Wogen mit der Regierung zu glätten und verkündete zwei Wochen später das Ende von The Late Show with Stephen Colbert. Dass die Absetzung der nicht unerfolgreichen Show Colberts Teil der Einigung im Streit war, ist mittlerweile ein offenes Geheimnis.
Medienunternehmen unterstützt Trump-Regierung
Auch im Fall von Jimmy Kimmel Live! scheint die offizielle Begründung für die Aussetzung der Show seitens ABC oberflächlich zu sein. Bevor die Tochterfirma von Disney, ABC, die Pause-Taste für die Show drücken konnte, hatten sich bereits andere Akteure der Medienlandschaft über den Vorfall empört.
Nexstar Media verkündet bereits Stunden vor ABC`s Statement, dass das Unternehmen die Show nicht mehr verbreiten werde und sprach von „beleidigenden und unsensiblen“ „Äußerungen zu kritischen Zeiten des politischen Diskurses“.
Nexstar Media spielte damit seine Macht aus. Als größtes Medienunternehmen in den USA, betreibt beziehungsweise vermarktet Nexstar Media hunderte TV-Stationen und digitale Plattformen. Das Unternehmen bestimmt unter anderem darüber, welche lokalen TV-Sender in welchen Regionen des Landes empfangbar sind. 116 von 210 dieser „Designated Market Areas“ (DMAs) bedient Nexstar Media, was dem Unternehmen Einfluss darauf verleiht, was in den entsprechenden Regionen im Fernsehen gesendet wird und was nicht.
Um zu verstehen, warum ein milliardenschweres Unternehmen wie Nexstar Media plötzlich Interesse an den Äußerungen eines Talkshowhosts hat, ist ein Blick auf die geschäftlichen und politischen Interessen des Konzerns erforderlich. Ähnlich wie Paramount ist Nexstar auf das „Go“ einer US-Behörde angewiesen, um ihren Merger mit dem Medienunternehmen und Rivalen TEGNA voranzutreiben. In der entsprechenden Pressemitteilung vom 19. August kommentierte CEO Perry Sook: „Die Initiativen der Trump-Administration bieten lokalen Rundfunkanstalten die Möglichkeit, ihre Reichweite zu erweitern, das Spielfeld auszugleichen und effektiver mit den großen Tech- und traditionellen Medienunternehmen zu konkurrieren, die unbegrenzte Reichweite und riesige finanzielle Ressourcen besitzen.“
Nexstar erhebt durch den Erwerb von TEGNA (Wert: 6,2 Milliarden Dollar) den Anspruch, seine Rolle als größter Player auf dem Markt weiter auszubauen – mit der Unterstützung der Regierung in Washington. Die Trump-Administration gewinnt mit dem Broadcasting-Unternehmen einen mächtigen Verbündeten in der Medienbranche, der sie dabei unterstützen könnte, ihre Vorstellung von Meinungs- und Medienfreiheit umzusetzen.
Nexstar verfolgt also einen Trump-freundlichen Kurs, um die Zustimmung der FCC (Federal Communications Commission) zu erhalten, die entsprechende Richtlinien zu Marktanteilen verändern müsste, um die Übernahme von TEGNA zu genehmigen. Obwohl die Behörde theoretisch unabhängig ist, gilt Chairman Brendan Carr als Anhänger Trumps und äußerte sich im Podcast von Benny Johnson, einem MAGA-Anhänger, kritisch zu Jimmy Kimmels Kommentaren über Charlie Kirk und forderte lokale TV-Stationen auf, ihren eigenen Gemeinschaften „zu dienen“.
Dienen dürfte hier gleichbedeutend mit dem Bedienen der MAGA-Ideologie sein. In der Folge kündigte Nextar nur wenige Stunden später an, die Talkshow auf den vom Unternehmen bespielten TV-Stationen nicht mehr übertragen zu wollen, aus den genannten Gründen. Stunden später zog ABC nach und verkündete die Aussetzung der seit 2003 ausgestrahlten Show Kimmels.
CNN Medienexperte erkennt gezielten Schlag gegen ABC
Die öffentlichen Reaktionen auf die vermeintlich dauerhafte Absetzung der Talkshow sind laut. Trump-Anhänger jubeln, Liberale und Demokraten sind empört über den offensichtlichen Austausch an Gefallen zwischen Unternehmen und Politik. Ex-Präsident Barack Obama schrieb auf Bluesky: „Genau diese Art von staatlichem Zwang sollte durch das First Amendment verhindert werden – Medienunternehmen müssen anfangen, sich zu wehren, statt zu kapitulieren.“ Der MAGA-Anhänger Benny Johnson, in dessen Podcast die Kettenreaktion zur Absetzung der Show entstand, kommentierte auf X einen Clip mit FCC-Chairman Carr:
Benny Johnson feiert auf X, dass Jimmy Kimmel “gefeuert” wurde.
In der aufgeheizten Stimmung, die in den USA seit der Ermordung Charlie Kirks herrscht und in der die MAGA-Bewegung mit Trump vorneweg „die radikale Linke“ beschuldigt, bietet der entschiedene Trumpgegner Jimmy Kimmel eine willkommene Zielscheibe für die politische Rechte. Doch schon wenige Stunden nach dem ABC-Statement analysierte Media Analyst Brian Stelter von CNN die Aussage des Hosts auf ihren Inhalt: „Kimmel brachte zum Ausdruck, was wir in den vergangenen Tagen von einigen anderen Liberalen gehört haben, nämlich dass die Motive unklar sind und es möglicherweise einen republikanischen Verdächtigen in diesem Fall gibt.“ Stelter fügte hinzu: „Es ist offensichtlich, dass pro-Trump-Alliierte versucht haben, ABC über Kimmel seit mehreren Wochen zu attackieren, und heute Nacht haben sie gesiegt.“
Trump droht weiteren Talkshowhosts und deren „Fake News“ Sender NBC
Während vordergründig darüber diskutiert wird, ob die Äußerungen Kimmels tatsächlich gegen die Meinungsfreiheit verstoßen und wie der Auftritt Carrs zu bewerten ist, stellen sich für den Journalismus in den Staaten einige unbequeme Fragen. Wie weit wird Donald Trump gehen, um kritische Stimmen gegen ihn aus dem Weg zu räumen und wie gut kann Journalismus sein, wenn große Medien mächtigen Unternehmen wie Paramount oder Disney gehören, die sich aus wirtschaftlichen Gründen beziehungsweise aus Angst vor Trump dem Druck der Regierung beugen und ihre eigenen Sender zensieren? Die Idee des Journalismus, als kritische Kraft in einer Gesellschaft zu fungieren, um Politik und Wirtschaft auf die Finger zu schauen hat die Trump-Regierung jedenfalls stark eingeschränkt, nicht zuletzt, weil der US-Präsident mit hochkarätigen Klagen gegen Medien wie das Wall Street Journal (10 Milliarden Dollar) und die New York Times (15 Milliarden) enormen Druck ausübt.
Deutlich wird, dass die Administration Trump auf ihrem Weg zu mehr Kontrolle nicht davor zurückscheut, selbst aus der Ermordung eines beliebten Politikers aus den eigenen Reihen politisches Kapital zu schlagen. Zwei der politischsten Talkshows sind nun bereits abgesetzt, und Trump droht auf Truth Social zwei weiteren Talkshows und deren Sender NBC.
Nachdem er ABC gratuliert hatte, forderte Präsident Trump auch den Sender NBC auf ihre Talkshowhosts loszuwerden.
Erst im Februar hatte der frisch ernannte Vizepräsident J.D. Vance auf der Münchner Sicherheitskonferenz in einer Brandrede Europa aufgefordert, sich wieder auf seine Grundwerte zu besinnen. In Europa würde man sich hinter Wörtern wie Miss- und Desinformation verstecken, weil die Idee unangenehm sei, dass jemand eine alternative Sichtweise oder Meinung äußern könnte. Seine Worte klingen spätestens seit diesem Sommer, mit zwei gecancelten Talkshows und einem bizarren Schauspiel um die Akten des Sexualstraftäters Epstein, mehr als fadenscheinig. Offen bleibt, welche Schritte die Regierung in den USA weiter unternehmen wird, um ihren Willen umzusetzen, demokratisch oder nicht, und ob das demokratische Amerika sich dagegen effektiv wehren kann.
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