Ein Medikament, das vor AIDS schützt? Immer mehr Menschen in Österreich setzen auf PrEP und seither sinken die Infektionszahlen auch deutlich, bestätigt Katharina Grabmeier-Pfistershammer, Leiterin der HIV/STD-Ambulanz von der Universitätsklinik für Dermatologie der MedUni Wien. Wer das Medikament vor dem Geschlechtsverkehr einnimmt, senkt sein Infektionsrisiko praktisch auf null.
Eine Empfehlung sprechen Ärzte und AIDS-Experten für Menschen mit erhöhtem Infektionsrisiko aus. „PrEP ist insbesondere für Männer, die Sex mit Männern haben, für Menschen mit häufig wechselnden Sexualpartnern oder Sexarbeiter empfohlen“, sagt der leitende Oberarzt und HIV/AIDS-Spezialist der MedUni Innsbruck Martin Gisinger. Aber auch heterosexuelle Menschen könnten PrEP einnehmen. Ein hohes Ansteckungsrisiko bestehe etwa bei Sexarbeit oder in Ländern mit hoher HIV-Rate.
Weltweit leben etwa 39 Millionen Menschen mit einer HIV-Infektion, heißt es in einem Bericht der AIDS-Hilfe Wien. In Österreich waren 2024 rund 8.400 Menschen mit dem Humanen Immunschwächevirus (HIV) diagnostiziert. Das sind 0,1 Prozent der Bevölkerung. Die Dunkelziffer soll in Österreich laut der internationalen Organisation UNAIDS zwischen 11.000 und 12.000 liegen. Die Neudiagnosen liegen jährlich bei rund 400.
PrEP schützt zu mehr als neunzig Prozent
PrEP gewinnt zunehmend an Popularität. „Die PrEP ist in fast allen Ländern West- und Mitteleuropas implementiert und wird vom Gesundheitssystem zur Verfügung gestellt. Und man kann sehen, dass die HIV-Neuinfektionen zurückgehen. Das wünschen wir uns natürlich auch für Österreich“, sagt der Allgemeinmediziner Florian Breitenecker. Auch Ex-Gesundheitsminister Johannes Rauch sagte zu Amtszeiten: „Die vorbeugende Einnahme von PrEP senkt das Risiko einer HIV-Infektion ganz wesentlich.“ Die AIDS Hilfe Wien hofft, mit dem Medikament die Zahl der Neuansteckungen bis 2030 auf null zu senken.
„Pre-Exposure Prophylaxis“ (PrEP) heißt übersetzt Prophylaxe vor dem Kontakt. Die Tablette enthält die aus der HIV-Therapie bekannten Wirkstoffe Tenofovir und Emtricitabin. Sie verhindern eine Festsetzung des Virus im Körper. Damit kann PrEP das HIV-Infektionsrisiko drastisch senken. Bei fehlerfreier Einnahme schützt sie in mehr als neunzig Prozent der Fälle vor einer Infektion, zeigen Studien. Eine korrekte Einnahme bedeutet entweder eine Tablette täglich zur selben Uhrzeit oder zwei Tabletten zwischen zwei und 24 Stunden vor einem akuten Risikokontakt einzunehmen.
Auch Ex-Gesundheitsminister Johannes Rauch sprach sich zu Amtszeiten für das Medikament aus. (Foto: APA Picturedesk)
Wer sich für die zweite Variante entscheidet, muss auch ein und zwei Tage nach dem ungeschützten Geschlechtsverkehr mit einem Risikokontakt jeweils eine PrEP-Tablette einnehmen, um einen höchstmöglichen Schutz vor einer Infektion zu erzielen. Das ist notwendig, da ein bestimmter PrEP-Spiegel im Blut vorhanden sein muss, um potenzielle HI-Viren abzuwehren. Bei einer täglichen Einnahme ist der Spiegel konstant hoch genug.
Die Nebenwirkungen sind gering. „Das Medikament ist zumeist gut verträglich. Selten treten Magenbeschwerden auf. Langfristig müssen PrEP-Nutzer auf Nebenwirkungen, die Niere und Knochenstoffwechsel betreffen, achten“, sagt Katharina Grabmeier-Pfistershammer.
Dennoch sollte alle drei Monate eine Kontrolluntersuchung erfolgen. Dabei gehe es nicht nur darum, eine HIV-Infektion auszuschließen, sondern auch um die Früherkennung anderer sexuell übertragbarer Krankheiten, erklärt Grabmeier-Pfistershammer.
In den USA und Australien ist die Prophylaxe längst etabliert. In Österreich standen dem lange Zeit Vorurteile und Fragen der Finanzierung im Weg. Erst seit eineinhalb Jahren finanzieren die Gesundheitskassen das Medikament. „Seither ist die Zahl der Menschen, die PrEP einnehmen, stark gestiegen. Wir erwarten einen Rückgang der HIV-Infektionen“, sagt Grabmeier-Pfistershammer, Davor musste jemand, der sich mit PrEP vor einer HIV-Infektion schützen wollte für eine Packung zwischen fünfzig und sechzig Euro zahlen. „Die Kosten stellten doch für einige eine Hürde dar“, so Grabmeier-Pfistershammer. Nach Einschätzung des Gesundheitsministeriums profitieren von der Neuregelung mehr als 3000 Menschen.
Während die Tablette in Städten wie Wien, Graz oder Innsbruck leicht zugänglich ist, ist das in ländlichen Regionen nicht der Fall. „PrEP ist nicht nur die Tablette. Da gehören auch Kontrolltermine, Beratungsgespräche und etwa auch die Aufklärung über Chem-Sex, also Sex unter Drogeneinfluss dazu“, sagt Grabmeier-Pfistershammer. Das sei mit Aufwand verbunden, den sich viele Ärzte nicht antun wollen.
Die Einnahme von PrEP sei ein intimes Thema. In ländlichen Regionen gebe es die gewünschte Anonymität wegen familiärer Strukturen oft nicht. „Für die Verschreibung von PrEP hätten viele gerne einen anderen Arzt als ihren Hausarzt“, so Grabmeier-Pfistershammer. Das sei am Land oft nicht möglich.
Wissenschaftler forschen stetig an neuen Methoden, um das HIV-Infektionsrisiko zu minimieren. Als vielversprechend gilt Lenacapavir, eine Spritze, mit der Ärzte aktuell Menschen mit multiresistentem HIV behandeln. Wegen seiner langen Wirkdauer untersuchen Wissenschaftler nun, ob die Spritze sich auch als PrEP eignet.
Das Problem: Die Spritze ist teuer. „Die Sechsmonatsspritze ist in Österreich derzeit noch nicht als PrEP zugelassen. Als Therapie für HIV Erkrankte belaufen sich die Kosten aktuell auf rund 22.800 Euro ohne Mehrwertsteuer“, sagt Gisinger. Aus medizinischer Sicht sei sie die effektivste Prophylaxe. Mit der Spritze gebe es keine Neuinfektionen. Sie könnte beim Erreichen des Null-Infektionen-Ziels bis 2030 nützlich sein, ist sie künftig für eine breite Masse leistbar.
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