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Impfquote wird Pflicht: Neue Regeln für Hausärzte ab 2026

Ab 2026 drohen deutschen Hausärzte finanzielle Sanktionen, wenn sie vorgegebene Impfquoten nicht erfüllen. Während Politik und Krankenkassen die Maßnahme rechtfertigen, spricht die Ärzteschaft von einem massiven Eingriff in die Therapiefreiheit. Wäre ein ähnlicher Vorstoß auch in Österreich denkbar?
Julia Ehrensberger  •  6. Oktober 2025 Redakteurin    Sterne  460
Die geplante Impfquote wird heftig kritisiert, vor allem unter der deutschen Ärzteschaft. (Foto: Polina Tankilevitch/Pexels)
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Ab 2026 tritt in Deutschland eine Neuerung in Kraft, die Hausärzte in dem deutschen Gesetzlichen Krankenversicherung-System unter spürbaren Druck setzen dürfte. Die Vorhaltepauschale, also die Grundvergütung für Praxen, wird künftig an Impfquoten geknüpft.

Grundlage ist die „Neuregelung der Vorhaltepauschale“, die der Deutsche Bundestag im Jänner 2025 auf Initiative des früheren Gesundheitsministers Karl Lauterbach beschlossen hat. Die Pauschale bleibt zwar im Kern bestehen, doch ein neuer Absatz zu Impfungen sorgt für heftige Kritik.

Demnach sind Kassenärzte verpflichtet, festgelegte Impfquoten zu erfüllen. Wer die Ziele verfehlt, muss mit finanziellen Einbußen rechnen. So teilt die Kassenärztliche Bundesvereinigung (KBV) mit: „Hausarztpraxen, die weniger als zehn Schutzimpfungen […] im Quartal durchführen, erhalten einen Abschlag auf die Vorhaltepauschale von 40 Prozent.“

In den ersten drei Quartalen müssen Hausärzte mindestens sieben Prozent ihrer Behandlungsfälle als Impfungen abrechnen. Im vierten Quartal, traditionell die Zeit der Grippeschutzimpfungen, steigt die Quote auf 25 Prozent. Die Berechnung erfolgt nicht auf Basis der Patientenzahl, sondern bezieht sich auf alle durchgeführten Impfungen, einschließlich Mehrfachimmunisierungen.

Auf welche Impfungen sich die Quote bezieht, erklärt Jens Ofiera, Sprecher des deutschen GKV-Spitzenverbands: „Das sind alle Impfungen, die Versicherte zulasten der GKV erhalten können.“ Die sind in den Schutzimpfungsrichtlinien des gemeinsamen Bundesauschuss festgelegt und inkludieren unter anderem Diphtherie, Hepatitis A und B, Influenza, Masern oder Meningokokken.

Quote sorgt für Irritation

Elke Boderas, Redakteurin der Neuen Züricher Zeitung (NZZ), nennt den Vorstoß unethisch sowie unwissenschaftlich und kritisiert: „Selbst für impfwillig Patienten wirft das die Frage auf, ob die Spritze im Arm vor allem der Gesundheit dient, oder besonders im viertem Quartal, der Erfüllung eines vorgegeben Solls.“ Boderas hinterfragt „woher die Anmaßung der Behörde kommt, die Therapiefreiheit der Ärzte einfach beiseitezuschieben“, als könnte sie gleich selbst die Rezeptblöcke ausfüllen.

Gerade diese Festlegung auf ein Viertel der Patienten sorgt auch in der Ärzteschaft für Irritation. Viele fragen sich, ob die Vorgabe medizinisch begründet ist oder ob es sich um eine willkürlich gesetzte Zahl handelt. Der Spitzenverband der deutschen Gesetzlichen Krankenkassen verweist hingegen auf „aktuelle Abrechnungsdaten“ und meint, die Quote sei „überhaupt nicht schwer zu erreichen“.

In Österreich kaum denkbar

Jakob Kramer-Schmidt, Pressesprecher der Staatssekretärin Ulrike Königsberger-Ludwig im Bundesministerium für Arbeit Soziales, Gesundheit, Pflege und Konsumentenschutz denkt nicht, dass ein ähnlicher Vorstoß in Österreich sinnvoll wäre: „Grundsätzlich wäre es bei uns gar nicht möglich, so etwas umzusetzen, weil die Patientenakten bei der Ärztekammer liegen und nicht öffentlich einsehbar sind. Verfassungsrechtlich könnte man das zwar ändern, aber sinnvoll wäre es nicht.“

Kritisch sieht er die geplante Anreiz- und Sanktionslogik: „Wenn jemand in einem Wiener Bezirk mit bildungsärmerer Bevölkerung eine Praxis eröffnet, ist das zu belohnen. Wenn dieser Arzt dann aber bestraft wird, weil sich seine Patienten seltener impfen lassen wollen, ist das Blödsinn.“

Aufklärung statt Zwang

„Präventive Maßnahmen wie die Impftätigkeit sind wichtige ärztliche Aufgaben. Verpflichtende oder ökonomisch motivierte Impfquoten sind aber kritisch zu sehen. Zum einen sollten Patientinnen und Patienten nicht wie Stückzahlen gesehen werden, zum anderen könnte dies das Vertrauen in die Impfung untergraben,“ sagt Rudolf Schmitzberger, Leiter des Österreichische Ärztekammer-Impfreferates. Zur Steigerung der Impfquote hält er Maßnahmen wie verstärkte Aufklärung und Informationskampagnen sinnvoller.

Auch die Österreichische Gesundheitskasse lehnt den Vorstoß ab: „In Österreich verfügen wir über keinerlei Erfahrungswerte, ob die Vereinbarung von Mindest-Impfquoten oder daran gebundene finanzielle Maßnahmen zu einer höheren Durchimpfungsrate führen würden, noch gibt es derzeit Bestrebungen, entsprechende Maßnahmen zu setzen,“ so Bernhard Herzberger, Pressesprecher der Österreichischen Gesundheitskasse (ÖGK).

Um eine Erhöhung der Impfquote zu erreichen, setze die Österreichische Gesundheitskasse zusammen mit Ärzten ebenfalls auf eine gemeinsame Informationsstrategie zur Aufklärung über die Sinnhaftigkeit von Impfungen und deren Risiken.

Impfskepsis hoch

Dass die Bereitschaft sich impfen zu lassen in Österreich niedrig ist, zeigen auch die Durchimpfungsraten. 2024 lag Österreich bei der Keuchhusten-Immunisierung EU-weit auf dem letzten Platz, ebenso bei Hepatitis B. Deswegen gibt es auch so viele Krankheitsfälle mit Erregern, die eigentlich kein Problem mehr darstellen sollten.

„Man empfindet eine Impfaufforderung als Eingriff ins Privatleben, der die Selbstbestimmung über den eigenen Körper untergräbt,” so Politikwissenschaftlerin Katharina T. Paul, gegenüber dem Standard. In einer Studie, die sie zusammen mit Nora Hansl veröffentlichte, spricht sie über die hohe Emotionalität der Thematik und warum ein Impfzwang nicht die gewünschten Effekte bringe, sondern die Impfskepsis noch weiter befeuere.


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