Mit dem kürzeren Tageslicht verändert sich auch die Chemie im Körper. Der Serotoninspiegel fällt, während das Schlafhormon Melatonin länger aktiv bleibt. Müdigkeit, Reizbarkeit und gedrückte Stimmung sind häufig die Folge. Viele Betroffene fühlen sich mit dem Stimmungstief allein, obwohl es unzähligen anderen ähnlich geht.
Eine österreichische Studie (Pjrek et al., European Psychiatry, 2016) zeigt, rund zwei bis drei Prozent der Bevölkerung leiden an einer saisonalen Depression.Die Schattenseiten von Psychopharmaka haben sich inzwischen herumgesprochen. Betroffene suchen zunehmend nach sanften Alternativen, die Körper und Seele gleichermaßen ansprechen. Die Natur bietet sie in Fülle, Pflanzen, Gewürze und Rituale, die beruhigen, stärken und dem Stimmungstief entgegenwirken.
Der Wiener Arzt Johannes Huber erzählt, wie schon Goethe die Kraft des Lavendels gegen seine widerkehrenden depressiven Verstimmungen einsetze, inForm von Lavendelwasser. Er besprühte sein Gesicht damit. Heute bestätigen Studien, was der Dichter intuitiv wusste. Lavendel wirkt beruhigend und stimmungsaufhellend, teils ähnlich stark wie Antidepressiva, nur ohne Nebenwirkungen. Die ätherischen Öle haben eine beruhigende Wirkung auf das zentrale Nervensystem. Auch Menschen mit Schlafstörungen können von der Heilpflanze profitieren, denn Lavendel kann das Einschlafen erleichtern und zu einer erholsameren Nacht beitragen.
Auch Sauerkraut hat eine nicht zu unterschätzende Wirkung auf die Stimmungslage. Das Geheimnis des Sauerkrautes sind die enthaltenden Milchsäurebakterien, die sich nicht nur positiv auf die Verdauung und das Immunsystem auswirken, sondern auch auf die Psyche. Sie zählen zu denPsychobiotika, die emotionale Stabilität fördern und Stressresistenz stärken. Dies geschieht nicht von heute auf morgen. Regelmäßiger Verzehr ist nötig, damit sich die Darmflora neu aufbauen kann. Beim Kauf lohnt es sich, gezielt nach dem Hinweis „nicht pasteurisiert“ zu suchen. Nur in dieser Form überleben die nützlichen Bakterien.
Johanniskraut gilt als das klassische pflanzliche Mittel gegen Depressionen. Es kann leichte bis moderate depressive Episoden spürbar lindern. Doch dieHeilpflanze hat Nebenwirkungen. Wer bereits Antidepressiva einnimmt, sollte kein Johanniskraut zusätzlich verwenden. Ein Zuviel an Serotonin kann das Serotonin-Syndrom auslösen, eine potenziell lebensbedrohliche Reaktion.
Vorsicht gilt auch bei Blutverdünnern, hormoneller Verhütung oder anderen Medikamenten. Auch steigt die Lichtempfindlichkeit der Haut. Wenn die Sonne scheint, ist es das falsche Mittel. Wer Johanniskraut einnehmen möchte, sollte sich ärztlich beraten lassen, um Risiken zu vermeiden und bedenken: Einmal einnehmen nützt nichts. Die Wirkung setzt erst Tage oder Wochen nach Beginn einer regelmäßigen Einnahme ein.
Safran, das kostbarste Gewürz der Welt, stammt ursprünglich aus dem antiken Griechenland. Es besitzt entzündungshemmende Eigenschaften und kann ebenfalls bei gedrückter Stimmung helfen. Verantwortlich sind seineHauptwirkstoffe Safranal und Crocin, die im Gehirn auf dieBotenstoffe Serotonin und Dopamin einwirken. Sie verlangsamen deren Abbauund fördern so das Wohlbefinden.
Musik ist mehr als nur Unterhaltung. Eine Studie der Universität Jyväskylä zeigt, Musiktherapie in Kombination mit einer regulären Behandlung kann die Stimmung deutlich verbessern. Teilnehmende mit leichten bis schweren Depressionen berichteten über spürbar weniger Traurigkeit und Angst, wenn sie regelmäßig an individuellen Musiktherapiesitzungen teilnahmen (Erkkilä et al., British Journal of Psychiatry, 2011).
Die Tage werden kürzer und düsterer. Wo vor wenigen Wochen der Sonnenuntergang zu bewundern war, ist es nun stockfinster. Lichttherapie kann die Stimmung wirksam stabilisieren. Nutzer sitzen täglich vor einer speziellen Lampe, die ein Vielfaches der normalen Raumbeleuchtung erreicht. Nach wenigen Tagen kann sich die Stimmung verbessern. Die Lichtkur bereits im Oktober zu beginnen, um gegen Winterdepressionen vorzubeugen, kann Sinn machen.
Körperliche Aktivität kostet nichts und wirkt nachweislich gegen das saisonale Stimmungstief. Auch wenn die Versuchung groß ist, sich in der kalten Jahreszeit unter einer warmen Decke zu verkriechen, bleibt Bewegung entscheidend für die psychische Gesundheit. Niemand muss gleich mit Ausdauerläufen oder Krafttraining beginnen. Schon ein täglicher Spaziergang kann die Stimmung heben. Die frische Luft, das Tageslicht und der Kontakt zur Natur fördern Entspannung und steigern das Wohlbefinden. Auch die Ernährung spielt eine Rolle. Omega-3-Fettsäuren, Vitamin D und eine ballaststoffreiche Kost unterstützen die psychische Gesundheit. Wer den Körper stärkt, nährt zugleich den Geist.
Doch nicht jede verschlechterte Stimmung im Herbst ist gleich eine Depression. Eine Depression zeigt sich durch mehrere anhaltende Symptome. „Eine depressive Episode liegt vor, wenn mindestens zwei der drei Hauptsymptome, depressive Stimmung, Antriebsstörung oder Interessenverlust, sowie mindestens zwei zusätzliche Symptome wie Schlafstörungen, Schuldgefühle, Appetitveränderungen, Konzentrationsprobleme oder Suizidgedanken über einen Zeitraum von mindestens zwei Wochen deutlich ausgeprägt sind“, ordnet Dietmar Winkle Facharzt für Psychatrie und Psychotherapeutische Medizin von der Universitätsklinik für Psychiatrie und Psychotherapie der MedUni Wien ein.
Die Dunkelheit bleibt nicht ewig. Schon im Jänner werden die Tage länger und das Licht kehrt langsam zurück. Saisonale Depressionen sind kein Dauerzustand. Wer früh genug gegensteuert, sich bewegt, das wenige Tageslicht nutzt und auf die sanften Mittel der Natur setzt, kann dem Tief entgegenwirken.
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