Es ist ein warmer Samstagvormittag, als der Imker Christian Schmid einen Patienten in seinem Betrieb begrüßt. Während sich der 46-Jährige hinsetzt, nimmt Schmid einige Bienen aus dem Stock und bereitet die Behandlung vor. „Sie wissen, dass Bienenstiche Schmerzen verursachen und allergische Reaktionen auslösen können“, sagt er. Der Patient, der an rheumatischen Beschwerden in der Schulter leidet, nickt. Genau dort stechen ihn unter Schmids Regie zwei Bienen. Er bedankt sich beim Imker, hofft auf Linderung und geht.
Der Niederösterreicher Schmid ist seit fast zwanzig Jahren Imker und seit einigen Jahren Apitherapeut. „Apis“ ist der lateinische Begriff für „Biene“, deren Gift neben den unangenehmen Begleiterscheinungen heilsame Wirkung haben soll. Laut Experten wie Schmid, unter denen sich auch Ärzte wie Anästhesisten befinden, kann es auch bei Nervenbeschwerden oder bei Problemen mit dem Schlafrhytmus helfen. Wirken können apitherapeutische Verfahren zudem bei der Behandlung von Falten, was Schmid aber ablehnt. „Bei solchen botoxähnlichen Verfahren mache ich nicht mit. Aber es stimmt, dass es dafür auf Bienengift basierende Salben gibt.“
Kritische Imker sprechen von Tierquälerei. Bienen verlieren beim Stechen meist ihren Stachel und sterben an der Wunde. Schmid verweist auf moderne Behandlungsverfahren, die für die Tiere völlig harmlos sind. Zuerst sammelt er mit einem Makrostaubsauger vorsichtig einige Bienen aus dem Stock und behält sie in einer Dose. Mit einer Pinzette kann er nun einzelne Bienen am Flügel nehmen und aus der Dose entfernen. Anschließend hält der Imker die bereits angeregte Biene auf die betroffene Körperstelle und lässt sie durch ein Sieb hindurchstechen. „Durch das Sieb verhakt sich der Stachel der Biene nicht so weit in der Haut und lässt sich wieder entfernen“, sagt er. „Dadurch entsteht kein Schaden am Hinterleib und die Biene bleibt ganz. Es ist eine sanfte Methode.“
Die meisten Kunden des Imkers kommen regelmäßig zur Behandlung. Er verwendet die gleichen apitherapeutischen Methoden wie bei ihnen, um eigene Schmerzen zu lindern. „Ich habe öfters Knieschmerzen und wende die gleiche Behandlung wie bei meinen Kunden bei mir selbst an. Das hilft mir eigentlich immer sofort.“
Der im Bienengift enthaltene Wirkstoff heißt Melittin. Er macht fünzig bis siebzig Prozent des Bienengifts aus. Imker wie Schmid sammeln es mit einem speziellen Gerät. Elektrische Impulse verleiten die Bienen zum Stechen und das Gerät fängt das Gift auf. Später findet es in Salben und Injektionen Anwendung. Ein Bienenstich ergibt 0,1 Milligramm, das sind 10.000 Stiche pro Gramm.
„Bei der ersten Behandlung achte ich besonders auf allergische Reaktionen. Ich fange mit wenigen Stichen an und schaue, was passiert“, sagt Schmid. „Erst, wenn sicher keine negative Reaktion stattfindet, erhöhe ich die Dosis. Außerdem trage ich immer einen Epipen bei mir.“
Die Stichanzahl hängt danach vom Ausmaß der Beschwerden ab. In vielen Fällen helfen bereits zwei oder drei Stiche, in einzelnen gibt er acht bis zehn pro Behandlung. „Bei Rheuma im Knie gebe ich vier Stiche pro Seite, also acht insgesamt. Manche Patienten haben überall Beschwerden und kriegen über den ganzen Körper verteilt bis zu zehn Stiche. Mehr als das gebe ich nie.“ Anders als früher dient die Apitherapie heute nur noch zur Symptomlinderung, nicht mehr, um gesundheitliche Probleme völlig zu heilen. Für eine potentielle Heilung reichen gesunde Giftmengen nicht aus.
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