Was ist aus der Welt geworden, die mich einst zum Träumen brachte? Diese Frage stelle ich mir als Kind der Jahrtausendwende. Ein verurteilter Straftäter wird US-Präsident. Ein exzentrischer Tech-Milliardär zeigt bei einer Wahlveranstaltung einen Gruß, der an Neonazis erinnert. Die beliebteste Social-Media-Plattform unter Jugendlichen bedankt sich persönlich bei US-Präsident Trump dafür, dass er sie wieder freigegeben hat.
Elon Musk mit irritierender Handgeste bei einer Dankesrede nach Trumps Angelobung. (Foto: Angela Weiss / AFP)
Ein kurzer Rückblick auf meine Kindheit: Ich erinnere mich genau an die letzte Schulwoche im Juni 2009. Meine Klasse versammelte sich im Computerraum, um den Umgang mit Microsoft Office zu lernen. Diese Idee verwarfen wir schnell, als eine Klassenkollegin uns von einer neuen Website erzählte, die wir unbedingt ausprobieren sollten: Facebook. Ich übertreibe nicht, wenn ich sage, dass dieser Tag mein Leben grundlegend veränderte.
In den darauffolgenden Wochen verbrachte ich zahllose Stunden vor meinem Windows-Vista-PC und chattete mit meinen Freunden über Gott und die Welt. Doch es blieb nicht bei Facebook. In den folgenden Jahren kamen immer mehr Social-Media-Plattformen dazu: Instagram, Twitter, WhatsApp, Snapchat und schließlich TikTok. Wir waren regelrecht gefangen in den sozialen Medien. Dennoch war ich dankbar, jederzeit mit meinen Freunden kommunizieren zu können.
Die Anfänge dieser neuen US-Techszene waren für Jugendliche sorglos und gleichzeitig unglaublich aufregend. Mark Zuckerberg galt für viele als Vorbild. Studieren, mit 19 ein Unternehmen gründen, Tech-Milliardär werden. Eine Vision, die viele begeisterte. Noch spannender wirkte Elon Musk. Seine revolutionären Unternehmen PayPal und Tesla, machten ihn für viele zum Inbegriff eines Genies unserer Zeit. Dazu gesellte sich Jeff Bezos, der Gründer von Amazon. Auch wenn er nie das Charisma von Zuckerberg oder Musk erreichte, prägten die zahlreichen TV-Reportagen über das neue, innovative Unternehmen Amazon mein Bild dieser Ära. (Ja, damals schauten junge Menschen tatsächlich noch fern.) Bis heute sind diese Erinnerungen lebendig geblieben.
Zurück ins Jetzt. Wo stehen die drei einstigen Vorbilder Zuckerberg, Musk und Bezos heute? Sie stehen in Reih und Glied hinter dem ersten Präsidenten der Vereinigten Staaten, der rechtskräftig verurteilt ist. Wegen gefälschter Geschäftsdokumente im Zusammenhang mit einer Schweigegeldzahlung an eine Pornodarstellerin.
„Wie können meine Vorbilder so jemanden unterstützen?“, höre ich mein Elfjähriges Ich verzweifelt rufen. Wo sind die Visionäre hin? Die Vorbilder? Die Menschen, die mit Innovation und Genialität Kinder dazu inspirierten, groß zu träumen? Auf wen kann ein Elfjähriger heute blicken, wenn er versucht, seine Träume zu verwirklichen und gleichzeitig etwas Gutes zu tun? Es sind nicht mehr dieselben, zu denen ich im Jahr 2009 aufsah.
“Was kann das neue iPhone?” Diese Frage war ein vieldiskutiertes Thema in den Klassenzimmern jener Zeit. Doch wo ist dieses Gefühl geblieben, dass die Zukunft immer besser sein wird? Wo ist die Zuversicht hin, dass es Menschen gibt, die ihr Geld für die richtigen Dinge einsetzen?
Vielleicht haben die heutigen Elfjährigen Vorbilder, die ich nicht mehr wahrnehme. Vielleicht sehen viele die Dinge positiver als ich. Aber wenn ich beobachte wie viel Zuversicht sich in den vergangenen 15 Jahren in Zukunftsangst verwandelt hat, bleibt mir nur eine Frage: In welcher Welt leben wir eigentlich?
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Ein guter Artikel mit dem ich mich identifizieren kann. Besonders bei Elon Musk zeigt sich zunehmend, wie die Fassade eines visionären Genies bröckelt.
21 January 2025