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Warum wir einen queeren Kreuzweg brauchen

In Graz, Wien und Linz findet zu Ostern ein queerer Kreuzweg statt. Was bei einigen für Verwunderung sorgt, setzt ein wichtiges Signal für den demokratischen Diskurs.
Max Langer  •  26. März 2025 CvD    Sterne  446
Kirchen werden zu Orten des Austauschs und Vielfältigkeit (Foto: Shutterstock)
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Ein queerer Kreuzweg zu Ostern. Das heiligste Fest der Christen findet nun auch einen Weg in die LGBTQI+ Community. Rechtspopulisten nutzen solche Veranstaltungen, um sichtbar zu machen, wie verdorben aus ihrer Sicht die Gesellschaft doch geworden ist. Sie stören sich an der bunten Vielfalt: an Regenbogenflaggen, an queeren Paaren, die öffentlich ihre Liebe zeigen, und an Menschen, die sich als nicht-binär definieren. Manche denken: „Ein queerer Kreuzweg? Irgendwann wird es zu viel.“ Trump, Kickl und Co. thematisieren diese Themen in breiter Öffentlichkeit und stoßen in vielen Teilen der Gesellschaft auf Zuspruch. Diese Entwicklung ist allerdings gefährlich für die Demokratie.

Eine funktionierende Demokratie lebt von der Diversität der Gesellschaft. Hautfarbe, Religion, Herkunft, Geschlecht und sexuelle Orientierung dürfen keinen Einfluss darauf haben, wie Menschen andere behandeln. Dafür steht auch die queere Community, die nun im Fokus von Rechtspopulisten steht. Viele Menschen behaupten, sie haben Verständnis für die sexuelle Orientierung von LGBTQI+ Personen, fühlen sich jedoch unwohl mit der offenen und präsenten Art, wie Teile der Community ihre Identität leben und wünschen sich, diese Ausdrucksformen würden weniger im öffentlichen Raum stattfinden.

Queerness ist kein Randthema

Es ist allerdings kein Gnadenakt der Bevölkerung, sondern eine demokratische Pflicht, queere Menschen sichtbar und hörbar zu machen. Sieben bis zehn Prozent der österreichischen Bevölkerung ist homosexuell, nicht-binär, intergeschlechtlich oder asexuell. Das sind über 650.000 Menschen. Wir dürfen eine derart signifikante Gruppe nicht an den Rand drängen, sondern müssen ihr einen Platz in unserem gesellschaftlichen Leben geben.

Diese Normalität muss sich in allen Bereichen zeigen: in Medien und Politik ebenso wie bei kirchlichen Events. Die Teilnahme queerer Menschen bei Pfarrfesten, Kirchentagen oder religiösen Feiern ist genauso selbstverständlich wie ihr Einkauf im Supermarkt oder ihr Spaziergang im Park. Sie sind Teil der Gesellschaft.

Nun müssen vor allem diejenigen, die nicht queer sind, die Stimme erheben. Diejenigen, die an eine funktionierende Demokratie glauben. Diejenigen, die für einen offenen Meinungsaustausch stehen und dafür, dass jeder Mensch und jede Stimme ein Teil der Gesellschaft ist. Queere Menschen dürfen nicht von rechtspopulistischen Parteien als Spielball verwendet werden, um aufzuzeigen, was in der Gesellschaft alles falsch läuft. Stattdessen sollte die Bevölkerung aus unterschiedlichsten Lagern in Austausch kommen, um zu sehen, dass man in vielen Dingen doch eigentlich ganz ähnlich ist.

Ein unerwarteter Raum für Begegnung

Ausgerechnet die katholische Kirche übernimmt diese Rolle, ein fast paradoxer Anblick, wenn man ihre Geschichte betrachtet. Und doch: Mit den queeren Kreuzwegen macht sie einiges richtig. Sie erkennt die Notwendigkeit für mehr Miteinander und weniger Gegeneinander. Den gesellschaftlichen Raum, den sie dafür öffnet, füllt kaum jemand so glaubwürdig. Ihre Mitglieder sind zum Großteil älter als 50 Jahre, eher konservativ geprägt und damit Teil jener Zielgruppe, in der die gesellschaftlichen Gräben besonders tief verlaufen. Die gemeinsame Verbundenheit zu Gott bietet eine Grundlage für Gespräche über Differenzen. Dabei entsteht oft die Erkenntnis: In vielen Punkten liegt man einander näher als zunächst angenommen. Genau solche Orte braucht es, um gesellschaftliche Schluchten zu überbrücken. Die Kirche schafft einen Raum, in dem Gläubige nicht nur Jesus Christus begegnen, sondern auch vielfältigen Weltanschauungen. Am Ende gilt: Beim Reden kommen die Leute zusammen.

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