Wien | Gesundheit | Meinung | Chronik | Kultur | Umwelt | Wirtschaft | Politik | Panorama
InternationalRumänienFakten

Spannungen bei rumänischer Präsidentschaftswahl in Wien

Bei den rumänischen Präsidentschaftswahlen 2025 kam es auch in Wien zu ungewöhnlichen Szenen: Religiöse Buchverteilungen und politische Slogans vor Wahllokalen prägten das Bild. In anderen europäischen Ländern kam es sogar zu Polizeieinsätzen. Besonders auffällig war die Unterstützung für den rechtsextremen Kandidaten George Simion unter Auslandsrumänen: und die damit verbundenen Spannungen.
Sophia Tiganas  •  19. Mai 2025 Redakteurin    Sterne  426
Wähler tragen bei der rumänischen Präsidentschaftswahl rumänische Flaggen oder andere Symbole ihrer Herkunft: die politische Stimmung ist spürbar, noch bevor man das Wahllokal betritt. (Foto: Privat)
X / Twitter Facebook WhatsApp LinkedIn Kopieren

Die Wahllokale sind schwer zu verpassen. Mit einer rumänischen Flagge, die im Wind an diesem bewölkten Wochenende in Wien weht, sind die Rumänische Botschaft, das Konsulat und das Kulturzentrum von Weitem erkennbar. Vor den Türen der Wahllokale stehen mehrere Gruppen rumänischer Wähler. Sie unterhalten sich, warten auf andere Freunde und Familienmitglieder und reden vor allem über die Zukunft Rumäniens.

Doch noch etwas sticht bei diesen Wahlen hervor. Je zwei oder drei Männer verteilen vor jedem Wahllokal religiöse Bücher. „Das Leben Jesu“, „Der Kampf zwischen Licht und Dunkelheit“ und „Der Segen Gottes oder das Zeichen des apokalyptischen Ungeheuers: 7 oder 666“ vermitteln eine deutliche Botschaft. Die Rumänen, die dieses Wochenende gewählt haben, sollten Gott bei der Stimmenabgabe im Auge behalten.

Ab dem 19. Mai 2025 ist der liberale Reformisten Nicușor Dan der neue Präsident Rumäniens. Nicht alle Rumänen freuen sich jedoch über das pro-europäische Ergebnis der Präsidentschaftswahlen. Insbesondere nicht diejenigen im Ausland. Obwohl Dan 53,60 Prozent aller Stimmen erhielt, hätte die Wahl ein anderes Ergebnis gehabt, wenn nur Rumänen außerhalb des Heimatlandes abgestimmt hätten. Denn im Ausland genoss der souveränistische Rechte George Simion 55,86 Prozent der Stimmen. Und in Österreich konnte man diese Gesinnung vor den Wahllokalen deutlich erkennen.

Skurrile religiöse Botschaften

Hundert Meter entfernt vom Rumänischen Konsulat, in der seitlich angelegten Viktorgasse, stehen zwei Männer vor dem offenen Kofferraum eines dunklen Autos. Hinter ihnen stehen mehrere mit Büchern gefüllte Kisten. Sie sprechen alle Passanten an, fragen, ob sie Rumänen seien. Wer den beiden Männern Gehör schenkt, dem drücken sie gleich drei Bücher in die Hand. Sie sind alle religiöse Materialien.

Weder die Bücher noch die Männer, die sie verteilen, tragen offensichtliche Zeichen zur Bewerbung eines Kandidaten. Dennoch hinterlässt diese Szene für viele Passanten einen bitteren Nachgeschmack. Denn in den letzten Monaten der Wahlkampagne wurde eines klar: Der Rechtsextreme Simion ist überzeugt, er kann die Wahlen mithilfe konservativer, stark von der orthodoxen Religion geprägter Botschaften gewinnen.

Auf Nachfrage verneinen die zwei Männer, ihre Aktion habe etwas mit den Wahlen zu tun: „Heute wussten wir sicher, dass viele Rumänen da sind! Wir geben die Bücher gratis an die Menschen, weil wir wollen, dass die Leute die Wahrheit erfahren“, behauptet einer der beiden. „Es hat nichts damit zu tun, dass heute Wahlen sind. Wir verteilen die Bücher immer in ganz Wien.“

Viele rumänische Wähler waren aber von dieser Aussage nicht überzeugt. Die meisten sehen darin eine Unterstützung für den Kandidaten, der sich regelmäßig der Religion bedient, um Stimmen zu gewinnen. Maria, eine 70-jährige Rumänin, und ihre Tochter sprechen die beiden Männer an: „Jetzt stellt das nicht so verklausuliert dar. Herr Simion ist der Religiöse, und bei euch merkt man auch so eine gewisse… na, Leidenschaft dafür.“ Auf Nachfrage von campus a erklären sie: Obwohl sie selbst religiös seien, fänden sie die Aktion unangebracht. „Mir gefällt das nicht, weil sie und diese ganze Kampagne vom Herrn Simion Religion in die Politik bringen. Gott und Glaube gehören zur Religion, nicht in die Politik“, sagt Maria.

Andere Wähler, die im Gespräch mit campus a zugeben, Simion gewählt zu haben, sehen das anders: „Sie sollen tun, was sie wollen“, erklärt ein Mann, eingewickelt in eine rumänische Flagge. Die Gruppe, die ihn umkreist, verweigert weitere Antworten, da sie, laut eigenen Aussagen, kein Vertrauen in Journalisten haben.

Drei religiöse rumänische Bücher.Nur wenige Meter vom rumänischen Konsulat entfernt, werden religiöse Bücher an Wählerinnen und Wähler verteilt. Titel wie „Das Leben Jesu“ und „7 oder 666“ lassen eine ideologische Botschaft mitschwingen. (Foto: Privat)

Skandierte Namen, beschriftete Flaggen: Wahlkampf direkt vorm Wahllokal

Cleo und Alexandra, 22- und 23-jährige Studentinnen in Wien, behaupten ebenfalls, fragwürdige Äußerungen vor dem Wahllokal beobachtet zu haben. Beim Rumänischen Konsulat, so Alexandra, habe eine größere Gruppe Männer beim Ein- und Ausgang „Simion“ skandiert. Vor der Rumänischen Botschaft befand sich zudem ein überzeugter Wähler: Der Mann hatte mit Kugelschreiber auf eine rumänische Flagge „George Simion“ geschrieben und diese einen Großteil des Tages in die Luft gehalten.

Dies könnte als direkte Werbung für den rechten Kandidaten eingestuft werden, jedoch behaupten Wahlbeobachter, es sei ihnen nicht gelungen, die Männer von den Wahllokalen zu entfernen. Ruxandra, eine unabhängige Wahlbeobachterin beim Konsulat, erklärt: „Ich habe sie zweimal gebeten, sich vom Wahllokal zu entfernen: einmal allein, ein anderes Mal mit der Vorsitzenden des Wahllokals. Sie sind erst gegangen, als ein körperlich imposanter Mann geholt wurde. Jetzt stehen sie zwar etwas weiter weg, aber immer noch nur etwa hundert Meter entfernt.“

Die angespannte Stimmung im Wahllokal beim Rumänischen Konsulat war jedoch nicht nur durch die religiösen Materialien geprägt. Eine Gruppe von Wählern behauptete, die Wahlurnen seien geöffnet worden (Anmerkung: Eine Überprüfung durch campus a gemeinsam mit der Vorsitzenden des Wahllokals ergab, die Urnen waren ordnungsgemäß versiegelt). Dies riefen sie auch anderen Wählern zu, während sie sich dem Wahllokal näherten. „Alles gut, sie können nicht so viel klauen, wie wir wählen können“, antwortete eine junge Frau. Ihre Freunde stimmten ihr zu. Vor der Tür des Wahllokals sagten sie: „Wir wählen AUR (Anmerkung: Die Partei Simions), wer würde den anderen Behinderten wählen?“ Diese Aussage könnte als Missachtung des Wahlgeheimnisses oder als versuchte Wählerbeeinflussung eingestuft werden, da sie im Umfeld der Wahlhandlung fiel und andere unter Druck setzen sollte.

Auch anderswo angespannt: Eindrücke aus Berlin

Eine andere rumänische Wählerin berichtet, die Stimmung sei nicht nur in Wien angespannt gewesen. In Berlin sei diese Wahl deutlich anders verlaufen als sonst: „Heute war die Polizei massiv präsent. Die Straße vor der Botschaft wurde komplett abgesperrt, es standen fünf Einsatzwagen dort, und sogar Beamte in Riot Gear waren vor Ort.“

Außerdem erzählt sie von Spannungen zwischen Wählern. „Es gab auch einige lautstarke Störer, die ständig rein und raus gingen, bis das Botschaftspersonal schließlich die Polizei bat, sie hinauszubegleiten. Auf Nachfrage sagten mir ein paar Leute, dass es zuvor sogar zu einer Schlägerei gekommen sei“, ergänzt die Rumänin.

Auslandswähler geben Simion klare Mehrheit

Im Ausland erhielt George Simion die Mehrheit der Stimmen. Unter den Ländern, in denen er eine überwiegende Anzahl der Stimmen erhielt, zählen auch Österreich, Deutschland, Frankreich, Spanien, das Vereinigte Königreich und Italien. In Österreich erzielte Simion sogar ein schockierendes Ergebnis von 66,09 Prozent der Stimmen, wobei Deutschland jenes Land war, in dem Simion anscheinend am beliebtesten war, mit mehr als 68 Prozent der Stimmen.

Eine campus a-Recherche zeigt, warum diese Ergebnisse für Experten weniger überraschend sind als erwartet: mit Gründen von Heimweh bis hin zu politischen Einflüssen aus dem jeweiligen Aufenthaltsland.


campus a-Preis für Nachwuchsjournalismus

Werde Teil der campus a-Redaktion!

Verfasse auch du einen Beitrag auf campus a.

Empfehlungen für dich

Kommentar
0/1000 Zeichen
Advertisement