
Am Abend des 2. November 2020 erschütterte ein Terroranschlag den Wiener Schwedenplatz. Unter den vielen Berichten über Angst, Chaos und Gewalt machte ein Name schnell die Runde: Osama Joda Abu El Hosna. Der damals 23-Jährige, Mitarbeiter einer McDonald’s-Filiale direkt am Tatort, leistete Erste Hilfe, barg einen angeschossenen Polizisten hinter einer Betonbank und brachte ihn anschließend in Sicherheit. Sein selbstloses Handeln wurde landesweit bekannt. Osama galt fortan als Held. Wie hat ihn das verändert?
Mit seiner Zivilcourage galt Osama Joda über Nacht als Held der Nation, nachdem er beim Schwedenplatz-Anschlag einen angeschossenen Polizisten barg. Wo in unmittelbarer Nähe Schüsse fielen, rettete Osama ohne zu zögern den schwer verletzten Beamten, redete ihm beruhigend zu. Stoppte die Blutung mit seinen Klamotten. Der Polizist überlebte. Die öffentliche Aufmerksamkeit war enorm. Interviews, Fernsehauftritte und schließlich ein Buch: In „Wie wir nicht sind“ beschrieb Osama seine Kindheit im Gazastreifen und erklärte, wie ihn seine Erfahrungen dort geprägt haben und warum er in der Nacht des Anschlags nicht zögerte. Seine Zivilcourage, seine ruhige Art und seine Menschlichkeit beeindruckten viele. Heute, fünf Jahre später, wollen wir wissen: Wie geht es Osama? Was hat sich seither verändert?
Wir treffen ihn in einem Restaurant am Schottenring, wo er als stellvertretender Filialleiter arbeitet. Osama empfängt uns mit einem Lächeln, einem festen Händedruck und einem Cappuccino. Er wirkt gelassen, fast gelöst. Mitarbeitende kommen ins Büro, verabschieden sich freundlich, machen Späße mit ihm. Während unseres Gesprächs schweift sein Blick immer wieder zu den Überwachungsmonitoren hinter uns. Aufmerksam und verantwortungsbewusst, aber nie angespannt. Schnell wird deutlich: er ist in seinem beruflichen Umfeld angekommen. Was hat sich durch den Anschlag für ihn verändert? „Nichts“, sagt er.
Die erste Zeit sei geprägt gewesen von medialem Interesse. Durch die Tat selbst, aber auch durch sein Buch, das ein Jahr später erschien. Inzwischen sei es ruhiger geworden. Interviewanfragen bleiben aus, die Verkaufszahlen des Buchs sind stark zurückgegangen. Auf der Straße erkennen ihn gelegentlich noch Menschen, doch sein Umfeld ist dasselbe geblieben. Auch den „Heldentitel“ lehnt er konsequent ab. „Ich habe meinen Freunden verboten, mich anders zu behandeln.“
Etwas begleitet Osama aber weiterhin: Die unklare rechtliche Situation. Seit seiner Flucht nach Österreich im Jahr 2012 gilt er als staatenlos. Er lebt in Wien, arbeitet, hat eine Ausbildung zum Elektrotechniker abgeschlossen und dennoch bleibt ihm die Staatsbürgerschaft verwehrt. Trotz vollständiger Unterlagen, regelmäßiger Behördentermine, beruflicher Kontinuität und trotz seines bundesweiten Heldenstatus. Auf die Entscheidung des höheren Gerichts wartet er noch immer.
Nicht nur die Aufmerksamkeit der Medien wurde größer, sondern auch die des Verfassungsschutzes. Die Polizei durchleuchtete Osamas Hintergrund näher und recherchierte seine Wurzeln in Gaza. Aufgrund seiner Herkunft bekamen sie Misstrauen. Osama wuchs in Gaza auf, floh mit 14 Jahren gemeinsam mit seiner Familie nach Österreich. Seither ist er in engem Austausch mit den Behörden, liefert Nachweise, klärt Fragen. Bisher vergeblich.
Eine weitere Hürde bestand in seiner früheren Tätigkeit bei der Organisation „Rahma Austria“. Ein gemeinnütziger Verein, der auf der Black List der Justizbehörden wegen eines Verdachts auf Abgabenbetrug stand. Obwohl die Vorwürfe inzwischen vom Tisch sind und Osama nicht mehr für den Verein aktiv ist, wirken die Zweifel nach. Bis heute engagiert er sich ehrenamtlich bei der Caritas und unterstützt Geflüchtete an Bahnhöfen in Wien. Ein Freiwilligendienst, den er bereits seit 2014 verfolgt.
Auch seine finanzielle Unterstützung an die verbliebene Familie in Gaza führt regelmäßig zu Problemen. Überweisungen mit dem Vermerk „Gaza“ lösen jedes Mal behördliche Nachfragen aus. Briefe vom Verfassungsschutz sind zur Routine geworden. Dabei versucht Osama lediglich, für Angehörige zu sorgen, mit denen er, wenn es die Verbindung erlaubt, monatlich Kontakt hält.
Im Gespräch wird spürbar, wie sehr ihn diese Bürokratie belastet, viel mehr als der Anschlag selbst. Damals, so sagt er, habe er nicht überlegt. Er habe einfach gehandelt. Angst habe er keine verspürt. Aufgewachsen in einem Kriegsgebiet, seien andere Erlebnisse viel prägender gewesen. Als Elfjähriger überlebte er einen Bombenangriff auf seine Schule. Seine Klasse hatte früher frei bekommen, alle anderen Kinder kamen ums Leben. Drei Jahre später floh er nach Wien. Für Osama war der Terroranschlag am Schwedenplatz keine Ausnahmesituation. In seiner Wahrnehmung war es ein Moment, in dem er funktionierte. So wie er es in Gaza gelernt hat. „Ich würde immer wieder helfen. Es geht um Menschlichkeit.“
„Der Schwedenplatz ist für mich kein Thema mehr“, sagt er. Er habe sich nicht verändert. Auch sein Blick auf sich selbst ist derselbe geblieben. „Ich bin kein Held. Menschen zu helfen ist normal.“ Ein Gedanke, den er in seinem Buch mehrfach betont. Er wünscht sich mehr Verständnis für die Realität in Krisengebieten. „Die Medien zeigen höchstens ein Prozent der Wahrheit.“
Während sich sein persönliches Umfeld kaum verändert hat, spürt er die politischen Spannungen auf anderer Ebene. Seine Situation wird zunehmend komplizierter, nicht zuletzt durch die aktuelle politische Lage und die Wahlergebnisse, die sich weitgehend rechts orientieren. Bereits 2021 enttäuschte ihn die Politik. Das Bundesministerium für Inneres versprach ihm für seinen Einsatz die Ehrenstaatsbürgerschaft. Der lang ersehnte Traum war für Osama zum Greifen nah. Leider entpuppten sich die Versprechungen als leer. Drei Mal habe Osama nachgehakt. „Der Antrag ist noch in Bearbeitung“, hieß es wiederholt. Nach zwölf Monaten gab er auf. Seine Ehrungen sind „vergessen“.
Die Staatsbürgerschaft will er weiterhin, nicht aus symbolischen Gründen, sondern weil sie für ihn ein wichtiger Schritt in die Zukunft ist. Zivilcourage, selbstloser Einsatz und Menschlichkeit ist es, was Osama ausmachen. Der Dank? Vergessenheit. Dennoch liebt Osama Wien. Er möchte beruflich weiterkommen, mehr Verantwortung übernehmen, sich weiterentwickeln. Nach Gaza zurückzukehren, steht für ihn nicht zur Debatte. Wien ist sein Lebensmittelpunkt und seine Heimat. „Selbst wenn in Gaza Frieden herrschen würde, ich würde in Wien bleiben.“
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[…] Nachdem er beim Terroranschlag am 2. November 2020 in Wien einem Polizisten das Leben rettete, war die Politik voller Lob und Versprechungen für ihn gewesen. Ehrungen, auch die Ehrenstaatsbürgerschaft, waren ihm in Aussicht gestellt worden. Nichts davon erfolgte, berichtet das Online-Magazin campus a. Joda lebt nach wie vor in Wien, arbeitet, hat eine Ausbildung zum Elektrotechniker abgeschlossen und dennoch bleibt ihm die Staatsbürgerschaft, auch die normale, weiterhin verwehrt. Trotz vollständiger Unterlagen, regelmäßiger Behördentermine, beruflicher Kontinuität und trotz seines bundesweiten Heldenstatus. Von Ehrungen war schon kurz nach dem Anschlag keine Rede mehr. „Ich kämpfe weiter“, sagt Joda, der ehrenamtlich für die Caritas arbeitet, im Gespräch mit campus a. Zum ganzen Beitrag geht es hier. […]
02 June 2025