
„Misinformation und Desinformation zählen zu den größten Bedrohungen für unsere Wirtschaft“, warnte EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen. Die Folgen reichen über den politischen Diskurs hinaus, auch Wirtschaft und Gesellschaft geraten ins Visier gezielter Täuschung. Systematisch verbreitete Falschinformationen untergraben Vertrauen, destabilisieren Demokratien und setzen Staaten, Unternehmen und NGOs unter Druck. Zwei junge Wiener Unternehmer reagieren darauf mit der Gründung von Österreichs erstem privaten Beratungsunternehmen im Bereich Desinformation. Ihr Ziel ist es, gezielte Manipulationskampagnen durch Aufklärung, Sensibilisierung und präventive Strategien frühzeitig zu erkennen und abzuwehren.
Aus Sorge um die demokratische Resilienz Österreichs gründeten Markus Schwinghammer (25) und Vivian Lösch (27) DisinfoConsulting. „Wir verfolgen einen Whole-of-Society-Approach, von der Zivilbevölkerung bis zur staatlichen Ebene“, so Lösch.
Mit Workshops, Unternehmensberatung und dem Podcast „FIMI-Files“ wollen sie das Bewusstsein für Foreign Information Manipulation and Interference (FIMI) in allen gesellschaftlichen Bereichen stärken.
Das Angebot kommt laut Schwinghammer an: „Die Caritas Österreich zählt zu unseren Kunden und wir stehen in gutem Austausch mit politischen Parteien, NGOs, Unternehmen und anderen Organisationen, wie der Konrad-Adenauer-Stiftung.“ In dem zwei bis fünfstündigen Workshop werden Teilnehmer über die Grundlagen aufgeklärt und Gegenmaßnahmen vorgestellt. Neben Workshops und Beratungsmöglichkeiten möchte DisinfoConsulting weitere Angebote für Unternehmen schaffen, unter anderem in Form einer spezialisierten Software.
Schwinghammer studierte zunächst Politikwissenschaft und richtete sein Studium auf „negative Campaigning“ aus. Anschließend arbeitete er im Parlament und war beteiligt im Bereich der Abwehr von Desinformation im Bundeskanzleramt. Seinen Geschäftspartner Lösch lernte er beim Studium der Kommunikationswirtschaft kennen. Lösch absolvierte seinen Master in Unternehmensführung und ist seither im zivilgesellschaftlichen Bereich tätig. „Als Markus nach seiner Zeit beim Bundeskanzleramt von der Idee erzählte, wusste ich sofort, dass wir sie umsetzen müssen“, meint Lösch.
Markus Schwinghammer (25) bei einem Workshop mit der Caritas Österreich. (Foto: DisinfoConsulting)
Die strategische Verbreitung von Desinformation über soziale Medien und darüber hinaus ist ein globales Machtinstrument. Russische Kampagnen beeinflussten die US-Wahl 2016, trugen zum Brexit bei und schürten während der Pandemie gesellschaftliche Spaltung. Seit 2022 rechtfertigt der Kreml anhand gezielter Informationsmanipulation den Angriffskrieg gegen die Ukraine. Auch China bedient sich manipulativer Narrative, um seine Expansionsansprüche gegenüber Taiwan zu legitimieren.
Nicht nur Großkonflikte sind betroffen. Immer häufiger geraten auch europäische Unternehmen, NGOs oder Medien ins Visier manipulativer Kampagnen. „Russland geht es nicht um konkrete Botschaften, sondern darum, Europa systematisch zu spalten“, erklärt Schwinghammer. Ob beispielsweise eine verbreitete Meldung pro-israelisch oder pro-palästinensisch positioniert ist, bleibt nebensächlich. Entscheidend bleibt ihr Polarisationspotenzial.
Ein Beispiel für die Folgen von Desinformationskampagnen sind die syrischen Weißhelme. Die zivile Rettungsorganisation wurde von russischen und syrischen Medien als Unterstützerin terroristischer Gruppen dargestellt. In der Folge kam es zu gezielten Angriffen und Tötungen von Helfern, während ihrer Einsätze.
Wer glaubt, Österreich bleibe von solchen Kampagnen verschont, irrt. In- und ausländische Akteure verbreiten gezielt Falschinformationen, besonders zu polarisierenden Themen wie Migration oder EU-Politik. Über 50 Prozent der heimischen Firmen berichteten 2023 in einer KPMG-Studie, selbst von Desinformation betroffen gewesen zu sein.
Doch auch die Bevölkerung ist unzureichend geschützt. Der jährliche Media Literacy Index zeigt: Während Finnland, Dänemark und Norwegen im Erkennen von Desinformation führend sind, rangiert Österreich nur im europäischen Mittelfeld.
Kurzfristig konzentrieren sich die Jungunternehmer auf das Beratungsgeschäft. Langfristig sollen zunehmend die Zivilbürger in ihr Projekt eingebunden werden. Die jährlichen Schäden von FIMI berufen sich laut Statista weltweit auf 78 Milliarden US-Dollar. Initiativen wie jene von DisinfoConsulting dürfte die EU und Ursula von der Leyen daher wohlwollend zur Kenntnis nehmen.
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