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Krabbelnde Kost: Wie Insekten heimlich unser Essen bereichern

Die meisten kennen Insekten nur aus dem Dschungelcamp als Mutprobe – gegrillte Heuschrecken oder Mehlwürmer. Doch der überraschende „Igitt!-Moment“ folgt nicht im Fernsehen, sondern bei ganz alltäglichen Produkten wie Schokolade oder Früchten.
Sophie-Leonie Foidl-Widhalm  •  11. September 2025 Volontärin    Sterne  146
Der winzige Reiskäfer: Wer denkt, er würde Insekten niemals essen, irrt sich: Er tut es bereits, ohne sich dessen bewusst zu sein. (Foto: pexels)
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In vielen Lebensmitteln verstecken sich unzählige winzige Insektenreste. Warum? Weil es unmöglich ist, Erdbeeren, Mehl oder Tomaten völlig frei davon zu halten. Sei es bei Ernte, Transport oder Verarbeitung. Lebensmittelgesetze lassen solche Spuren zu, solange sie unbedenklich sind. 

Unvermeidbare Spuren

In nahezu allen Nahrungsmitteln finden sich kleine Mengen von Insektenresten. Sie werden nicht absichtlich hinzugefügt, es ist unvermeidbar, denn bei der Ernte landen unweigerlich Insekten aus den Feldern in Erntemaschinen. In Mühlen tummeln sich oft Käfer, Motten oder Larven.

In der EU und den USA existieren aus diesem Grund sogenannte „Toleranzgrenzen“ für Fremdbestandteile. In Lebensmitteln dürfen kleine Mengen von Insektenfragmenten enthalten sein, sofern es für die Gesundheit der Bevölkerung keine Bedenken gibt. In den USA gestattet die FDA (Food and Drug Administration) in Schokolade beispielsweise einen Anteil von bis zu 60 Insektenfragmenten pro 100 Gramm. Aus ernährungswissenschaftlicher Sicht, sind sie diese geringen Mengen unproblematisch.

Wo krabbelt es?

 Schokolade, Nudeln, Erdbeeren oder Feigen. Sie alle enthalten winzige Insektenreste. Hersteller mischen sie nicht absichtlich hinein, die Reste lassen sich schlicht nicht vermeiden.

 Der Grund, warum sich manchmal Überreste einer Wespe in Feigen finden, ist traurig. Weibliche Feigenwespen legen ihre Eier normalerweise in die männliche Bocksfeige. Wenn sie jedoch versehentlich in eine weibliche Essfeige geraten, ist das Loch zu eng, und die Wespe stirbt im Inneren der Frucht.

Auch Erdbeeren sind von Insekten nicht verschont. Anfang 2025 gingen viele Videos viral, in denen User ihre Erdbeeren in Salzwasser legten. Das Ergebnis? Aus den süßen Früchten kamen kleine Krabbeltierchen. Meist handelt es sich hierbei um Fruchtfliegenlarven, deren Eier bereits vor der Ernte in den Früchten liegen. Bedenklich sei der Verzehr der Früchte wohl kaum. „Wenn Sie frisches Obst oder Gemüse essen, essen Sie auch Insekten“, sagte Greg Loeb, Entomologe und Professor an der Cornell University, im Gespräch mit CNN.

Zählt man all diese winzigen Reste im Jahresverlauf zusammen, ergibt sich eine erstaunliche Bilanz: Jeder Mensch nimmt im Schnitt rund ein halbes Kilo Insekten pro Jahr zu sich.

Bewusste Zutaten: Insekten als Zusatzstoffe

Neben den unvermeidbaren Insektenresten, die bei Ernte oder Verarbeitung entstehen, gibt es auch Inhaltsstoffe, die Hersteller gezielt einsetzen. Dazu gehören bestimmte Zusatzstoffe, die aus Insekten stammen.

Ein Beispiel ist Karmin (E 120), ein roter Farbstoff, den Hersteller aus Scharlachschildläusen gewinnen. Er sorgt dafür, dass Lebensmittel intensiver und attraktiver wirken. So enthalten etwa die Gummis „Saure Glühwürmchen“ von Trolli diesen Farbstoff.

Auch Schellack (E 904) stammt von Insekten, genauer gesagt von der Gummilackschildlaus. Die Industrie nutzt ihn als glänzenden Überzug, zum Beispiel in den „Bunten Kakaolinsen“ von Milka.

Bienenwachs (E 901) zählt ebenfalls zu den tierischen Zusatzstoffen. Es stammt direkt von Honigbienen und dient in Lebensmitteln als Überzugs- oder Trennmittel.

Vorsicht für Allergiker

Die Europäische Union erlaubt aktuell vier Insektenarten für den Markt: Wanderheuschrecke, Mehlwurm, Hausgrille und Getreideschimmelkäfer. Insektenproteine können Allergien auslösen. Besonders für Menschen, die bereits auf Krebstiere, Hausstaubmilben oder Weichtiere reagieren, ist Vorsicht geboten. Deshalb schreibt die EU-Kennzeichnungsregeln vor. Hersteller müssen angeben, welche Insekten im Produkt stecken. Zusätzlich verpflichten die Vorschriften zu deutlichen Hinweisen auf mögliche Allergien. Wer Insekten in Lebensmitteln vermeiden möchte, sollte einen Blick auf die Zutatenliste werfen und nach den erlaubten Insektenarten Ausschau halten.

Insekten als Zukunftsprotein

Immer mehr Hersteller setzen bewusst auf Insekten in ihren Produkten. Kein Wunder, Insekten liefern hochwertiges Eiweiß, viele Mikronährstoffe, Ballaststoffe und gesunde Fettsäuren.

Auch ökologisch können Insekten punkten. Sie benötigen wenig Platz, stoßen keine Treibhausgase aus und verursachen keine Schlachtabfälle. Der essbare Anteil liegt deutlich höher als bei konventionellen Nutztieren. Mehlwürmer bestehen zu 100 Prozent aus essbaren Bestandteilen, Heuschrecken zu 80 Prozent. Beim Rind hingegen bleiben nur rund 50 Prozent übrig. Zudem verursacht Insektenprotein nur etwa ein Drittel der Emissionen, die bei der Produktion derselben Menge Hühnerfleisch anfallen würden.


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